"Downsizing" Kino:Schrumpfen, um groß rauszukommen

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Wie würde das Leben aussehen, wenn die Menschheit auf die Größe von etwa zwölf Zentimetern schrumpft? Beinfreiheit beim Fliegen wäre jedenfalls kein Thema mehr. (Foto: Fox)

Können wir das Klima retten, indem wir die Menschen verkleinern? "Downsizing" ist ein Science Fiction-Film mit Erkenntnis-Schock.

Von Philipp Bovermann

Der Klimawandel findet im Kino kaum noch statt. Die Zeit der Dokus mit den Naturbildern und den schweren Stimmen, wie bedroht das doch alles sei, ist vorbei. Auch die hintergründigen Analysen haben sich abgenutzt. "Eine unbequeme Wahrheit" (2006) wird nun mal nicht unbequemer, wenn man sie mit dem Zusatz versieht, sie sei "Immer noch eine unbequeme Wahrheit" (2017).

Menschen mögen unbequeme Wahrheiten nicht. Sie mögen es lieber bequem. Das ist die ziemlich geniale Grundidee von "Downsizing": Anstatt den Lebensstandard zurückzufahren, lasst uns lieber die Menschen schrumpfen! Ein norwegischer Wissenschaftler, zwölf Zentimeter hoch, erklärt bei einer Pressekonferenz, die von ihm entdeckte Methode zur unumkehrbaren Verringerung der Körpermasse sei absolut sicher. In seiner Heimat gebe es bereits eine erste Gemeinde der "Kleinen", an einem lauschigen See, hinter einem Netz, damit sie nicht von Insekten gefressen würden. Das Mini-Mikrofon, in das er spricht, ist mit einer Klammer an einem putzigen, kleinen Stehpult befestigt. Die anwesenden Reporter beugen sich über ihn, riesig und bedrohlich wie Raubtiere.

Doch natürlich hat die Sache einen Haken. Dass diese Gemeinde in einem Jahr nur einen halben Sack voll Müll produziert hat, so etwas finden vielleicht norwegische Wissenschaftler cool, aber doch nicht der Durchschnittsamerikaner, der "kleine Mann" von nebenan, der gern größer wäre. Matt Damon spielt ihn in karierten Hemden und Cargo-Shorts. Paul heißt er und wohnt noch immer in der Wohnung, in der er aufgewachsen ist. Eigentlich wollte er Arzt werden, musste aber wegen seiner kranken Mutter das Studium schmeißen und knetet jetzt beruflich an verspannten Schultern herum. Beim Klassentreffen wirkt er daher selbst recht verspannt. Bis ihm ein alter Highschool-Kumpel, auf einer Keksschachtel sitzend, erzählt, dass er nun in Saus und Braus lebe.

"Vergiss doch all den Unsinn über die Umwelt", sagt er. Sich zu schrumpfen sei vielmehr die Möglichkeit, groß rauszukommen. Denn wer weniger Rohstoffe verbraucht, könne sich, relativ gesehen, plötzlich viel mehr leisten. Pauls Augen weiten sich ein ganz klein wenig. Damon spielt ihn wunderbar verhalten, mit kleinen Portionen unterdrückter Wut und unterdrückter Güte, auch wenn seine Rolle ein bisschen konturlos und wenig rahmenfüllend bleibt. Vieles an diesem Film fühlt sich an, als hätte irgendwie noch ein größerer Entwurf darin gesteckt. Spannenderweise kann man ihm das, je nachdem, als Manko oder als Stärke auslegen.

Nie hat Großmannssucht kleinkarierter ausgesehen als in dieser Miniaturwelt

Aus seiner kühnen Liebling-ich-habe-den-Klimawandel-geschrumpft-Prämisse macht der Autor und Regisseur Alexander Payne nicht viel, soll heißen: Er macht daraus keinen Science Fiction-Film. Anstatt die Idee über sich hinauszutreiben, ziseliert er sie fein säuberlich aus - ganz plastisch in Form von "Leisureland", einer "kleinen" amerikanischen Stadt, in die Paul zieht und in der die Menschen das Luxusleben führen, das sie sich immer gewünscht haben. Zieht man die Klimakatastrophe, die sich in dieser (nämlich unserer) Welt bereits am Horizont abzeichnet, gedanklich hinzu, ergibt sich die Vision eines All-American Weltuntergangs. Ein letztes, eitles, großes Kammerspiel, zu einer lächerlichen Miniatur-Wunderlandschaft geschrumpft.

Nie hat Großmannsucht kleinkarierter ausgesehen, als wenn ein Mini-Neil Patrick Harris seine Mini-Version des idealen Lebens als Werbeveranstaltung für Schrumpf-Interessierte verkauft. Er steht vor einer Mini-Villa, die er im Verlauf der Präsentation aufklappt wie ein Barbie-Haus. Drinnen liegt hochtoupiert seine Frau in der Mini-Badewanne und beichtet ihm ins Mikrofon, sie habe mal wieder nicht widerstehen können, nach einem anstrengenden Tag voll Nichtstun mit ihren Freundinnen Diamant-Schmuck shoppen zu gehen. Ganze achtzig Dollar habe der Spaß gekostet, gesteht sie kokett, ein Vermögen! Die Zuschauer dieses Puppenspiels sind begeistert.

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Payne fliegt nicht hochmütig über diese Welt hinweg und lässt zum Beispiel eine Katastrophe über sie hereinbrechen, sondern er versenkt sich in die Details. Selbst den Schrumpfprozess erzählt der Film säuberlich mit viel Fantasie, wenn eine riesige Ärztin die noch schlafenden, aber bereits verkleinerten Patienten vorsichtig mit einem Schäufelchen von den Liegen kratzt, als wären sie Plätzchen im Backofen.

Erst kurz vor Schluss nimmt "Downsizing" dramaturgisch noch einmal Fahrt auf. Payne hat noch einen Punkt zu machen. Er bemüht sich redlich, auf die Menschen nicht so herabzublicken, als wären sie wirklich nur gierige Plätzchen in einem sich langsam erwärmenden Backofen. Und also gesteht er sich und dem Zuschauer zum Schluss ein paar Szenen von herzzerreißender Wehmut zu, ganz ohne Häme. Paul reist zu der norwegischen, "kleinen" Gemeinde.

Da sich zu wenige Menschen verkleinert haben, steht das Klima nun trotz allem kurz vor dem Kollaps. Also beschließen die Norweger, in ein künstliches Mini-Klima zu ziehen, mit nachhaltiger Technologie unter Tage errichtet. Am Abend, bevor sie für Tausende Jahre im Berg verschwinden, bis die Atmosphäre sich erholt haben wird, stehen sie am Ufer eines malerischen Sees und betrachten ein letztes Mal den Sonnenuntergang. Matt Damon spielt dazu, von der Stimmung angesteckt, Bongos. Die Töne der Lächerlichkeit wirken in dieser Szene, als sollten sie die mittlerweile allzu greifbar gewordene Vorstellung erträglicher machen, dass über der Schönheit der Erde bald die Sonne untergehen könnte.

Ganz zum Schluss ist es die Natur, als eine sich entfernende Größe, und nicht die Technik, die "Downsizing" eben doch zu einem Science Fiction-Film mit Erkenntnis-Schock macht. Dann schließt sich hinter den putzigen Mini-Norwegern, die in ihrem Stollen verschwinden, langsam das Tor.

Downsizing , USA 2017 - Regie: Alexander Payne. Buch: Payne, Jim Taylor. Kamera: Phedon Papamichael. Musik: Rolfe Kent. Mit Matt Damon, Kirsten Wiig, Christoph Waltz, Hong Chau. Verleih: Paramount, 135 Minuten.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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