Documenta:Ein Kollektiv will "Kassel feiern"

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Nach dem Streit um die letzte Documenta war die Spannung hoch: Wer übernimmt nun die künstlerische Leitung? Nun steht es fest. Aber was ist von dem indonesischen Kollektiv Ruangrupa zu erwarten?

Von Catrin Lorch

Erstmals übernimmt ein Kollektiv die künstlerische Leitung der Documenta: Die indonesische Gruppe Ruangrupa aus Jakarta wurde am Freitag bei einer Pressekonferenz in Kassel vorgestellt. Drei Frauen und sieben Männer verantworten die wichtigste Ausstellung zur zeitgenössischen Kunst, die im Jahr 2022 in Kassel stattfinden wird. Daran ließ man bei der Vorstellung des Teams keinen Zweifel - Ort und Datum prangten nicht nur in großen Lettern auf der Tapete, sondern erstrahlten auch auf den Flatscreens, die das Podium der Pressekonferenz begrenzten. Nach dem Skandal, in dem die letzte Ausgabe geendet hatte, wollen die politisch Verantwortlichen offensichtlich einen stabilen Neuanfang inszenieren.

"Die Ausstellung wird in Kassel stattfinden, wir werden Kassel feiern, wir werden versuchen, mit Kassel zu arbeiten und in Kassel zu sein", die erste kuratorische Ansage von Farid Rakun hatte etwas von einem Zungenbrecher, in dem vor jedem Atemholen einmal der Name der Stadt fällt, die sich als Documenta-Stadt versteht. Das war nicht ohne Humor so formuliert, Kassel hatte die Verdoppelung der Documenta 14, die einen Ableger in Athen unterhalten hatte, stets als Ansage gegen Kassel aufgefasst und die Geschäftsführung und den künstlerischen Leiter Adam Szymczyk öffentlich diskreditiert.

Die Verpflichtung eines Kollektivs ist ein mutiger Schritt: Die Zusammenarbeit mit zehn künstlerischen Leitern, die eine eigene Perspektive auf den westlich geprägten Kunstkontext mitbringen, wird eine Herausforderung. Als Vertreter waren allerdings nur Ade Darmawan und Farid Rakun angereist, die sich schon als Studenten in den Neunzigerjahren kennen gelernt hatten, als Indonesien vom autoritären Regime Suhartos beherrscht wurde. Seither haben sie in Jakarta unter dem Dach von Ruangrupa - aus dem Sanskrit übersetzt bedeutet die Wortschöpfung Raum und Visualität - Ausstellungen und Konzerte veranstaltet, ein Filmtheater, ein Kunstmagazin und eine Studentenbiennale begründet, einen Shop eröffnet, ein Forschungsinstitut samt Bibliothek und eine Kunstschule für Kinder.

Philippe Pirotte, Direktor der Frankfurter Städelschule, sagte für die Findungskommission: "Ruangrupa haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie ganz verschiedene Gruppen ansprechen können, die weit über das Kunstpublikum hinausgehen." Das Kollektiv wurde als Kunstgruppe international zu Biennalen eingeladen und verantwortete im Jahr 2016 als Kuratoren "Sonsbeek", eine historisch bedeutende Stadtkunstschau im niederländischen Arnheim. Dort mietete Ruangrupa ein leeres Geschäft und knüpfte im "ruru house" Kontakte. Doch auch wenn das Lokale der Ausgangspunkt ist - wer das Kollektiv kennt, kann davon ausgehen, dass sich auch die 15 Ausgabe der Docuementa an Orten wie Istanbul oder Jakarta entfalten könnte.

© SZ vom 23.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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