Deutscher Filmpreis:Toll, dass es uns gibt

Jan Josef Liefers, Deutscher Filmpreis

Moderator ist ein harter Job: Jan Josef Liefers beim Deutschen Filmpreis - als Hotdog.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Jan Josef Liefers ist ein armes Würstchen. Der übrige deutsche Film feiert sich in Berlin selbst. Doch bei aller Langeweile - die Selbstbeweihräucherung ist berechtigt.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Was für ein illusionsloser Job das Arbeiten in der Filmwelt sein kann, zeigte sich Freitagnacht wieder einmal beim Deutschen Filmpreis in Berlin.

Da gibt sich Jan Josef Liefers alle Mühe, eine überzeugende Wurst abzugeben, um als Moderator der "Lola", dem höchstdotierten Kulturpreis Deutschlands (insgesamt werden knapp drei Millionen Euro vergeben), eine gute Introshow hinzulegen. Wird in ein überdimensionales Hotdogkostüm gesteckt und auf die Bühne des Filmpreises gespuckt. Darf sich vom armen Würstchen zum Entertainer des Abends aufschwingen, inklusive Musicaleinlage, und alle nominierten Filme des Abends singend ankündigen. Wird sogar vom bisher bei der Lola verschmähten und endlich ausgezeichneten Til Schweiger dafür gelobt, wie toll er das gemacht hätte, zu zeigen, wie nahe am Abgrund sich auch der gefragteste Schauspieler oft noch bewegt.

Und dann hat die Regie oder die Technik wieder irgendetwas auszusetzen - und Liefers muss nochmal ran. Die ganze Nummer als singende Wurst muss am Ende der Preisverleihung erneut gedreht werden. Und das Publikum soll noch einmal ganz überrascht gucken.

Davon bekommen die ZDF-Zuschauer in der Nacht nichts mit, weil die Sendung kurz zuvor aufgezeichnet wurde. Die Pressemenschen im Übertragungszelt raunen schon verunsichert von einer "Bombendrohung", wie zuletzt bei Germany's Next Topmodel. Eine gute halbe Stunde haben die Techniker jetzt noch Zeit, die Lola-Verleihung bis zur Übertragung zu schneiden. Im Fernsehen sieht dann alles wieder aus wie aus einem Guss. Wer eine solche komplett durch den Fleischwolf gezogene Bühnenshow einmal miterlebt hat, kann erahnen, wie viel Mühe, Herzblut, Geduld, Anspannung und immer wieder Neuanfang in Film- und Fernsehproduktionen stecken. Und warum es für die an diesem Abend Geehrten - inklusive Til Schweiger - so wichtig ist, dafür auch einmal in aller Feierlichkeit bedacht zu werden.

Selbstbeweihräucherung, wie immer

Ansonsten ist die Lola-Verleihung, wie immer, ein staatstragender Akt. Schauspieler und weitere Granden des Showgeschäfts ehren sich selber, Kollegen, und Kollegen von Kollegen. Dabei zuzusehen, kann schnell ermüden, auch wenn alle sich größte Mühe geben, Glanz und Gloria, Witz und Entertainment zu versprühen. Selbstbeweihräucherung ist nur für diejenigen nicht langweilig, die sich eben selbst beweihräuchern. Da helfen sämtliche Nummern zur Auflockerung des Abends wenig.

Iris Berben als Akademiepräsidentin spricht mahnende Worte zum Weltfrieden und zur Flüchtlingspolitik, Monika Grütters als Kulturstaatsministerin wünscht sich von den Filmemachern mehr Verwegenheit im Sinne eines Werner Herzog. Til Schweiger widerspricht und hat das Publikum, bestehend aus aktuellen Filmschaffenden, damit natürlich auf seiner Seite.

US-Regisseurin Laura Poitras, ausgezeichnet für ihren Snowden-Film "Citizen Four", erinnert mit ihrem Team daran, wie ungewiss der Ausgang ihrer Dreharbeiten gewesen sei und dass ihr Heimatland in Bezug auf Snowden auf der "falschen Seite der Geschichte" stehe - und fordert Asyl für Snowden in Deutschland. Katja Riemann spricht als Laudatorin über das vernachlässigte Thema Frauenförderung. Frauen seien ab einem bestimmten Alter nur noch für die Rolle als Mutter vorgesehen - "nur Mutter, ohne Namen". Sie fordert, dass Frauen "mehr vor die Tür treten - damit wir mehr sind als Mütter". Das scheint eine angebrachte Forderung zu sein. Auch angesichts zahlreicher Mehr-oder-weniger-Jungschauspielerinnen, die trotz bisher ansehnlicher Erfolge hier auf dem roten Teppich und der Bühne in die Kleinmädchenrolle verfallen.

So kurz können sieben Stunden sein

Immerhin erheiternd: Die junge spanische Schauspielerin Laia Costa muss, als sie als beste Schauspielerin (für den Siegerfilm "Victoria") geehrt werden soll, erst mal hektisch ihre Schuhe wieder anziehen. Die hatte sie wohl wegen der Länge der Veranstaltung (dreieinhalb Stunden) irgendwie verlegt. Schauspieler Michael Gwisdek liefert, wie schon im vergangenen Jahr, mit seiner Laudatio für den besten Schauspieler (Frederick Lau, ebenfalls für "Victoria") die beste Bühnenshow ab, indem er ein gealtertes Berliner Ego den jungen Kerlen den Erfolg missgönnt. Und am Ende moderiert Liefers noch einmal gekonnt ironisch salopp ab: "Wie schnell doch sieben Stunden rumgehen können."

Verleihung 65. Deutscher Filmpreis

Gewinner des Abends: Regisseur Sebastian Schipper (rechts) räumte sechs Preise für den Bankräuber-Film "Victoria" ab, unter anderem den für die beste männliche Hauptrolle (Frederick Lau, Mitte) und die beste weibliche Hauptrolle (Laia Costa, links).

(Foto: Jens Kalaene/dpa)

Aber es geht eben an diesem Abend nicht um Kurzweil, und auch nicht um das Publikum vor dem Fernseher. Es geht ganz konkret um genau diese Mühe, die der Zuschauer eben nicht sieht, wenn er den fertigen Film vor Augen hat. Man bekommt eine Ahnung davon, als Kostümbildnerin Barbara Baum der Ehrenpreis für ihr Lebenswerk überreicht wird: Die "Buddenbrooks", "Berlin Alexanderplatz", "Aimée und Jaguar" und sogar "Das Geisterhaus" gehen auf ihr Konto - all die wunschlos glücklich machenden Kostümfilme hat diese Frau mit einer offenbar ungebremsten Leidenschaft so liebe- und kunstvoll ausgestattet, dass sie den Zuschauer glaubhaft in frühere Zeiten entführen.

Carolin Kebekus und Dietrich Hollinderbäumer von der heute-show machen das in ihren lustig-verzweifelten Laudatios wunderbar deutlich: Die Kostümbildner nämlich, die Cutter, die Drehbuchautoren, all diese Leute im Hintergrund des Filmgeschäfts, haben nicht nur die schlechtesten Arbeitsbedingungen, sondern auch die wenigsten Erfolge zu verbuchen. Manchmal müssen die Cutter ihre eigenen Namen aus dem Abspann wieder rausschneiden: zu lang, zu unbekannt. Wie erniedrigend.

Auch der Gewinner des Abends, Regisseur Sebastian Schipper, der für seinen Bankräuber-Film "Victoria" gleich sechs Lolas abräumt, macht das in seiner Dankesrede ("Verbrechen lohnt sich!") noch einmal klar: Er widme diesen Preis all den unbekannten Regisseuren, die sich diesen Abend nicht mal im Fernsehen ansehen würden, weil sie sich zu klein oder zu verzagt für das ganze Showgeschäft und seinen Rummel fühlten, an dem sie immer wieder mit ihren noch so engagierten Projekten scheitern würden: "Ich kann das gut verstehen." Aber, so Schipper: "Es geht nicht darum, zu triumphieren. Es geht darum, etwas zu geben." Auch sein Film sei ein Plädoyer dafür, dass eben nicht jeder für sich alleine kämpfe.

Und aus diesem Grund ist es eben doch wichtig, dass all die kleinen Preise einmal groß vergeben werden. Am Ende und auf der Aftershowparty im Palais am Funkturm darf sich dann auch wieder alles um Til Schweiger drehen - und darum, dass er bei seiner eigenen Ehrung Tränen in den Augen hatte.

Die Preisträger des Abends im Einzelnen finden Sie hier, alle weiteren Infos zum Filmpreis hier.

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