"Der Spiegel": Neues Führungsduo:Die zwei an der Zankstelle

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Auf Stefan Aust folgt eine interne Doppelspitze: Georg Mascolo und Online-Chef Mathias Müller von Blumencron sollen den Spiegel wieder wenden.

Christopher Keil

Vor zwei Monaten, am 15. November des vergangenen Jahres, erfuhr Stefan Aust, 61, im Asien-Urlaub, dass sein Arbeitsvertrag als Chefredakteur des Spiegel vorzeitig gekündigt wurde durch die Gesellschafter des Spiegel-Verlages. Seither bemühte sich die Geschäftsführung der Mitarbeiter KG - die Mehrheitsgesellschafter (50,5 Prozent) des Spiegel-Verlages ist - mit dem Geschäftsführer des Spiegel-Verlages, Mario Frank, einen Nachfolger zu finden.

Der aktuelle "Spiegel"-Titel. (Foto: 135)

Über die Suche, die am Ende eher eine Fahndung war, über ihre Pannen und Peinlichkeiten hätten Spiegel-Redakteure mit angespitzter Feder ein politisches Lehrstück verfasst. Genüsslich wären Details ausgebreitet, Personen bloßgestellt, Konflikte beschrieben worden. Dass schließlich die Lösung allen Beteiligten ganz gut steht, würde zu dieser gespiegelten Dramaturgie nicht passen.

Georg Mascolo, 42, und Mathias Müller von Blumencron, 47, sollen Aust schon bald ersetzen, der bereits um seine Abfindung verhandeln lässt und gerade vor Offizieren des Marinefliegergeschwaders 3 in Nordholz über "Medien und Politik" referierte. Die fünf Mitglieder zählende KG Geschäftsführung hat sich nach Informationen aus Gesellschafterkreisen einstimmig auf Mascolo/Blumencron geeinigt. Ob Stellvertreter installiert werden, scheint nicht abschließend geklärt. Doppelspitze ist jedenfalls Spiegel-Retro: So war es früher Tradition - früher, als Gründer Rudolf Augstein bestimmte, wer was in seinem Magazin werden konnte. Stefan Aust war der letzte von Augstein (1994) eingesetzte Chefredakteur, was ihm stets besonders gefiel.

Was bedeutet die Doppelspitze für die publizistische Ausrichtung des Spiegels? Mascolo ist ein Enthüllungsjournalist mit Spiegel-TV- und Washington-Erfahrung, und er leitet seit sechs Monaten das Berliner-Büro des Blattes. Müller von Blumencron, einst Stellvertreter im Ressort Deutschland II und Amerika-Korrespondent für das Wirtschaftsressort, machte als erfolgreicher Lenker von Spiegel-Online mit dem schnellen Medium seit 2000 eine Blitzkarriere. Zusammen verkörpern sie den von der KG-Leitung beanspruchten Generationswechsel. Sie sollen den Spiegel stärker politisch profilieren, seine Unabhängigkeit fördern und den investigativen Journalismus als prägendes Stilmittel zurückholen. Mascolo und Blumencron wollten sich am Donnerstag nicht äußern.

Unter Aust sammelte der Spiegel die besten Autoren. Nie war der Spiegel schöner geschrieben. Doch in der Kerndisziplin Nachrichtenbeschaffung zeigten sich Schwächen, außerdem geriet das Magazin handwerklich zuweilen auf die schiefe Bahn. Spiegel-Reporter gewannen dafür die bedeutenden Kisch-Preise. Die wichtigen Auszeichnungen für investigative Leistungen beim Henri-Nannen-Preis kriegten andere.

Von außen hatte man den Eindruck, die im Februar gewählte neue KG-Geschäftsführung um den Sprecher Armin Mahler, den Wirtschafts-Ressortleiter des Spiegels, wollte fast so etwas wie eine geistige, moralische Wende des Blattes. Aust ist wohl ein sehr begabter Netzwerker und Titel-Erfinder. Legte sich sein Netzwerk zu eng um den Spiegel? Für die Themen junger Menschen, Klimawandel oder Familienpolitik, begeisterte er sich jedenfalls weniger.

Warum die KG-Geschäftsführung, die zunächst kompromisslos eine externe Lösung favorisierte, sich nach der Absage des Wunschkandidaten Claus Kleber vom ZDF-"heute-journal" unter Druck setzen ließ, ist unklar. Das Duo Mascolo/ Blumencron hätte sie stiller und früher bekommen können. Nächste Woche wird wohl Gruner+Jahr-Boss Bernd Kundrun, 50, der Personalie zustimmen, die Augstein-Erben (24 Prozent) werden oder sind unterrichtet. G+J ist mit 25,5 Prozent am Spiegel-Verlag beteiligt.

Kundrun hatte von Anfang an Sympathien für den Bewerber Blumencron, der Sympathien für eine Eingliederung der Financial Times Deutschland (FTD) in den Spiegel-Verlag gehabt hätte. Den Deal verhinderte die Mitarbeiter KG. Bernd Kundrun hat das nicht vergessen.

Der Spiegel-Verlag ist eine Gesellschaft mit brüchigen Partnerschaften geworden. Immer offener bildet sich Widerstand gegen Verlagsgeschäftsführer Mario Frank, 49. Doch Frank ist ein ehemaliger G+J-Manager, und Kundrun wird ihn ganz sicher nicht fallenlassen.

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