Der neue "Tatort"-Kommissar:"Allein durch meine Präsenz"

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Mehmet Kurtulus will als "Tatort"-Kommissar Integrationsarbeit leisten - für ihn eine Pinonierarbeit mit gesellschaftspolitische Tragweite.

Christopher Keil

Als im April 2007 bekannt wurde, dass Mehmet Kurtulus neuer "Tatort"-Kommissar in Hamburg würde, stand umgehend das Thema Integration im Vordergrund. Kurtulus ist in der Türkei geboren, kam im zweiten Lebensjahr nach Deutschland, wo er in Salzgitter aufwuchs und später in Hamburg lebte.

Der neue "Tatort"-Kommissar Cenk Baut: Schauspieler Mehmet Kurtulus. (Foto: Foto: dpa)

Er selbst bezeichnet sich als Vertreter einer "Brückengeneration": Seine Eltern (der Vater war Lehrer) seien türkisch und ein bisschen deutsch, er sei türkisch und deutsch. Dass er nun in einer vom Publikum stark beachteten deutschen Fernsehreihe als Schauspieler mit Migrationshintergrund Pionierarbeit leiste, sei ihm bewusst: "Das hat sicher auch eine gesellschaftspolitische Tragweite."

Am vergangenen Sonntag war der 36-jährige nun erstmals als verdeckter Ermittler Cenk Batu in der ARD zu sehen. Der Norddeutsche Rundfunk setzt mit dieser Wahl auf symbolische Effekte.

Noch nie war ein Deutschtürke Kommissar in einem "Tatort", und einen verdeckten Ermittler als Kommissar gab es in bisher 38 "Tatort"-Jahren auch nicht. "Allein durch meine Präsenz", sagte Kurtulus 2007, "trägt der NDR zur Integrationspolitik in Deutschland bei."

In den Wochen vor der Ausstrahlung seines ersten Falles rückte Kurtulus die "gesellschaftspolitische Tragweite" seiner Fernsehrolle in den Hintergrund. Dass er Türke sei, könne man für die Handlung "optional nutzen", am Ende zähle nur "die Leistung, nicht das Türkischsein". Wenn der Zuschauer nicht 90 Minuten spannend unterhalten werde, relativiere sich der Rest.

Im Ausland war die Identität des türkischstämmigen Deutschen Kurtulus möglicherweise deshalb ein besonderes Thema, weil der "Tatort" als die fiktionale Entsprechung der deutschen Gesellschaft gilt. Tatsächlich war es längst an der Zeit, gerade in dieser Reihe einen Kommissar einzusetzen, der aus einer der ethnischen Gruppen stammt, die Deutschland seit Jahrzehnten prägen.

Die 2007 verstorbene Schauspielerin Evelyn Hamann hatte Kurtulus entdeckt, als er 1995 Regieassistent bei einer Folge der TV-Serie "Adelheid und ihre Mörder" war. Drei Monate später wurde er für ein Theaterstück engagiert, in dem Hamann die Hauptrolle spielte. Damals, sagt er, "wussten nicht viele, dass ich Schauspieler werden wollte". Nachdem er 2002 bei "Nackt" von Doris Dörrie mitgemacht hatte, wusste es auch eine breitere Öffentlichkeit.

Zunächst war es der Regisseur Fatih Akin, mit dem Mehmet Kurtulus erfolgreich zusammenarbeitete. Akin zählt als Sohn türkischer Einwanderer aus Hamburg zur dritten Generation, die, wie Kurtulus meint, "deutsch ist und ein bisschen türkisch". Es entstanden die Kinoprojekte "Getürkt" (1996), "Kurz und schmerzlos" (1998), "Im Juli" (2000), schließlich "Gegen die Wand" (2004/Berlinale-Gewinner). Bei diesem Film, der die Identitätssuche einer in Deutschland geborenen Türkin thematisiert, war Kurtulus auch Co-Produzent.

Demnächst will er mit seiner Verlobten, der Kollegin Désirée Nosbusch, nach Berlin ziehen. Noch wohnt das Paar in Los Angeles. Kurtulus wird ein Pendler zwischen den Welten und Kulturen bleiben.

© SZaW vom 25./26.10.2008/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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