Das wird schön:Allerlei Latein

Was Mediziner und Juristen so sagen und schreiben

Von Karl Forster

Es geschah vor vielen Jahren, als ein Latein geschulter, späterer Journalist noch in einem Krankenhaus Menschen gesund pflegte. Da stand dann auf einem Diagnosezettel, den der diensthabende Arzt in der Ambulanz für die Station ausgefüllt und auf die Liege mit dem Patienten gelegt hatte: "Contusio cum commotio". Der Krankenpfleger nahm die Liege, den Patienten und den Zettel, schob alles zurück in die Ambulanz zu dem Doktor und sagte: Das ist falsch, 'cum' hat den Ablativ." Da schaute der Doktor, der sein Latinum fürs Studium in einem Wochenendkurs gemacht hatte, recht dumm. "Es muss 'cum commotione' heißen", sagte der Krankenpfleger und nahm den Patienten wieder mit.

Das ist schon lange her, und wenn heute Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (natürlich CSU) fordert, ausländische Mediziner müssten bessere Deutschkenntnisse vorweisen, so liegt sie sicher nicht ganz falsch, verkennt aber insofern die Lage, als viele deutsche Mediziner, vornehmlich die in Krankenhäusern tätigen, gerade bei den täglichen Visiten sich einer Sprache bedienen, die zwar den mitvisitierenden Chefarzt beeindrucken soll, den Patienten aber über sein Schicksal weitgehend im Unklaren lässt. Dagegen sind Diagnosen wie "Contusio cum commotione" noch harmlos. Mediziner verschwurbeln da angelernte Lateinismen mit Rumpfdeutsch, was eine gymnasiale Oberstufe in Recklinghausen, die unlängst das Phänomen im Deutschunterricht untersuchte, zu der Erkenntnis kommen ließ, dass es sich dabei um "linguistisch obskures Kompilieren und kryptomanes Kopulieren quasipräziser Kommunikationselemente mit dem Verdacht bzw. Odium einer prätentiösen Exklusivitätsambition und in toto dem Resultat einer patientenaversen Kooperationspossibilität" handle.

Bemerkenswert im Umgang mit der deutschen Sprache sind nicht nur die Mediziner, sondern auch Juristen, die sich gerne in einem ganz eigenen Soziolekt unterhalten und dementsprechend dann die Schriftsätze formulieren. Als Beispiel dient hier immer wieder gerne Paragraf 164 Abs. 2 des BGB, in dem es heißt: "Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht." Das sind drei Verneinungen in einem Satz, also mindestens zwei zu viel. Humls Ansatz ist also im Grunde richtig, man sollte Deutsch können beim Umgang mit Patienten (oder Mandanten). Meist aber fehlt es beim Willen, wirklich verstanden zu werden. Wenn Huml das noch ändert, dann wird es richtig schön beim Arztbesuch und vor Gericht.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: