Country-Musik:Westlich des Westerns

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Der Münchner Multiinstrumentalist Titus Waldenfels tritt dank seines breiten Repertoires nahezu jeden Abend auf

Von Oliver Hochkeppel, München

Fangen wir einmal andersherum an als sonst, mit den Stationen, die der Münchner Gitarrist, Geiger und Multiinstrumentalist Titus Waldenfels nur in dieser zweiten Monatshälfte, also von 15. bis 30. September, noch abarbeiten wird: Los geht es mit seinem Solo-Country-Programm "Bee Cave Swing", das er in einem Stadtplanungsbüro in Landsberg spielt. Tags darauf geht es mit Petra Lewi und Konstanze Kraus "Von Bally zu Dolly", also von "Bayerischen Breziosen" zu Countryswing. Am nächsten Abend startet im Stragula die neue Saison des "Westend Open Mic", die offene Bühne, die Waldenfels dort seit zwei Jahren moderiert. Am 19. September heißt es im japanischen Restaurant Nomiya "Kein Weg zurück - Songs & Western Swing", was er im Duo mit seinem wohl wichtigsten Begleiter, dem Schlagzeuger, Sänger und Multiinstrumentalisten Michael Reiserer spielt. Mit ihm, Dascha von Waberer sowie Konstanze Kraus steht tags darauf die musikalische Hommage an Frida Kahlo "Viva la Vida" auf dem Programm, im auch noch von Danah Heisers Rebel Bunch verstärkten Sextett geht es danach im Rahmen der Puchheimer Countrynight mit "In Cash we trust" zur Sache, gefolgt vom Trio-Auftritt mit "Texas Impression" im Hide Out. Im Dießener Schacky-Park ist "Himmel, Hölle, Harfe & Blues" gewissermaßen der Auftakt für Gastspiele beim "Blickpunkt Spott" im Vereinsheim und im Herzkasperlzelt auf der Oiden Wiesn (dort mit den Texas-Bayrischen). Und nach einem Benefizkonzert für die Zivile Seenotrettung im Münchner Kösk geht es schließlich für die letzte vier Tage des Monats auswärts auf eine kleine Tournee - in Frankfurt, Stahlberg, Kaiserslautern und Offenbach spielt Waldenfels mit Dju Lia und Christoph Jung Songs, Swing & Exotika unter dem Titel "Whatever Lola Wants".

Was nach einem außergewöhnlich heftigen Tourneemonat klingt, ist für Waldenfels Routine. So geht das bei ihm fast jeden Monat zu. Freilich, die Mehrzahl seiner Auftritte sind kleine Konzerte, "Gigs, die schnell und unkompliziert ausgemacht, schnell erreichbar und auch schnell gespielt sind", wie er sagt. "Da bin ich mein eigener Herr, und es ist auch nicht schlimm, wenn einmal etwas ausfällt. Das hat sich seinerzeit aus meiner privaten Situation ergeben: Ich war längere Zeit Hausmann mit zwei Kindern, da war das ideal. Und auch wenn die Kinder heute schon eine Zwei vorn stehen haben, das Arbeitsprinzip ist geblieben." Man muss sich den selbst im größten Trubel stoisch ruhigen Waldenfels als glücklichen Menschen vorstellen: Er steht zwar auch nach 25 Jahren selten auf Plakaten, doch als "heimlicher Star" kann er von dem leben, was er immer machen wollte: vom Musizieren.

Zwar hat Waldenfels auch Germanistik (neben Musikwissenschaften) studiert und 1997 brav mit dem Magister abgeschlossen, "doch das war nebenbei und mir war schon vorher klar, dass es das dann auch war." Vielleicht musste das Studium einfach sein, immerhin entstammt der Mann aus dem Westend - seit Jahrzehnten lebt er in der Gollierstraße - ja einer Schwabinger Philosophenfamilie. So lernte Waldenfels als Bub auch zunächst Geige, bevor er sich mit sieben selbst Gitarre beibrachte. Er spielte in diversen Schülerbands und -bigbands, schaute Local Heroes wie Nick Woodland auf die Finger, nahm Unterricht bei Roman Bunka oder Geoff Goodman und spielte bald erste Blues-Gigs, unter anderem auch schon mit Christian Willisohn. Ebenso stieg er bei den Jazz-Traditionalisten der Storyville Shakers ein, beim Sinti-Swinger Traubeli Weiß, bei Sängern wie Inge Brandenburg oder dem Crooner-Debütanten Dieter Landuris, aber auch beim späteren Franz Ferdinand-Star Nick McCarthy. Die wichtigste Station aber war die Kultband Embryo, zu der er schon 1994 stieß. Dort lernte er auch den amerikanischen Saxofon-Veteranen Monty Waters kennen, ein ebenso großartiger und demütiger wie chronisch unterschätzter Jazzer, mit dem er fortan jahrelang tourte, zunächst im Duett, später auch in größerer Besetzung.

Vor zehn Jahren 2008 starb Waters, und Waldenfels wusste schon vorher: "So einen musikalischen Partner werde ich nie wieder bekommen. Entweder finde ich jetzt etwas Eigenes oder ich lasse es bleiben." Also warf der studierte Germanist seinen Blick verstärkt auf das Wort, auf deutsche Texte und Lieder und gründet Bands wie Liedgold oder Die Eurofälscher. Außerdem erinnerte er sich an andere jugendliche Musik-Vorlieben: "Ich und meine Freunde standen alle auch auf Elvis. Und von da ist es kein weiter Schritt zu Hank Jones, Willie Nelson oder Johnny Cash." Ein paar Aufenthalte in Texas taten das Übrige, und schließlich merkte Waldenfels, dass sich diese Liedwelten mittels des Jazz-Spirits gut kombinieren lassen. Er begann, eigene Songs zu schreiben, reaktivierte sein Geigenspiel, lernte diverse andere Instrumente vom Banjo über Mandoline bis zu Foot Bass und Perkussion und erarbeitete sich nach und nach ein breites, einzigartiges, eigenes Repertoire. Das reicht von bayerischem, deutschem und österreichischem Liedgut aller Art über Country und Western bis zu Weltmusik, Soundexperimenten und Jazz - die Basis für Konzerte an allen Orten, die Beschallung jedweder Festivitäten, aber auch für den Soundtrack ungewöhnlicher Theaterproduktionen wie dem "Komödienstadel" oder Georg Ringsgwandls "Varreckten Hof".

So hat sich nach und nach das Netzwerk ergeben, das er für seine Gastspiele in anderen deutschen Regionen, Österreich oder den USA braucht. So kommt er meist privat unter, oft ergeben sich Begegnungen mit ähnlichen Musikern. So wie einst auf Vermittlung des Freiburger Schlagzeugers Schroeder die mit dem ihm nicht unähnlichen Saiten-Unikum Eugene Chadbourne. Mit den beiden spielt Waldenfels an diesem Donnerstag im Stragula. Und schon am Mittwoch ist sein fast legendäres Country-Programm "In Cash we trust" in der Milla zu erleben. Zwei herausragende Geschichten im rastlosen Betrieb des Titus Waldenfels.

© SZ vom 11.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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