Chopins Instrument identifiziert:Ein Klavier, ein Klavier

Wer hat das echte Chopin-Klavier? Über diese Frage stritten sich zwei Familien auf Mallorca über Generationen hinweg. Beide Seiten behaupteten: Wir haben das Original. Jetzt steht endlich fest, auf welchem Instrument Frédéric Chopin wirklich Präludien komponierte.

Camilo Jiménez

Für Pilger auf den Spuren des Komponisten Frédéric Chopin (1810-1849) ist das Urteil des Provinzgerichts in Palma auf Mallorca ein harter Schlag. Die angeblichen Besitzer von Chopins Klavier in Valldemossa und seines angeblichen Zimmers nämlich - sie haben die Welt mit ihrem Klavier getäuscht. Seit einhundert Jahren hat die Familie Ferrá-Capllonch Touristen fälschlicherweise in die "Zelle Nr. 2" des ehemaligen Karthäuserklosters gelockt und damit geworben, dass Chopin hier seine 24 Präludien beendet und zusammen mit seiner Geliebten George Sand und deren Kindern dort gewohnt habe. Alles falsch.

Chopinklavier

Über diese Tasten glitten Chopins Finger in Mallorca.

(Foto: oh)

Die Juristen legten nun fest: Das Klavier wurde erst nach Chopins Tod gebaut, der Komponist bewohnte eine andere Zelle, die der Familie Quetglas gehört. Die Quetglas bekamen jetzt die exklusiven Rechte zur Vermarktung zugesprochen. Und die Verurteilten Ferrá-Capllonchs müssen öffentlich verbreiten, dass ihr Klavier das falsche ist. In dem Glauben, mit dem Leben des großen Pianisten in Berührung zu kommen, hatten jährlich 300.000 Touristen in Valldemossa Eintrittskarten gelöst.

Es war der 15. November 1838, als Frédéric Chopin, die Schriftstellerin George Sand und deren Kinder Paris verließen und in Mallorca eintrafen. Damals war Valldemossa eine dunkle Ecke auf einer fernen Insel, ein weltfremdes Dorf im pittoresken Tramuntana-Gebirge, der perfekte Rückzugsort für den gefeierten Musiker sowie für Maurice, Sands kranken Sohn. Die Ankömmlinge bezogen eine kleine Klosterzelle. Es waren Wochen, die ihre Spuren im Werk Chopins hinterließen.

Fast alles stimmt in der Geschichte, die die Besucher von Valldemossa jahrzehntelang gehört haben. Doch auf welchem Klavier und in welcher Zelle wirkte der Pianist wirklich? Am Provinzgericht von Palma kursierten Briefe, Aufsätze, journalistische Recherchen, man hatte die Aussagen von Zeitzeugen und Zeichnungen von Maurice Sand vorliegen, die einen historisch genauen Schluss erlauben. Wenige Jahre nach dem Aufenthalt in Valldemossa verfasste George Sand das Buch "Ein Winter auf Mallorca". Die Tage dort mit dem musikalischen Genie hatten sie arg mitgenommen, die Reise hatte auch sie zur Legende gemacht.

Museum für den Meister

Chopin-Liebhaber aus der ganzen Welt interessierten sich nun für die Kartause, die in private Hände fiel. Die Besitzer, die Familien Ferrá-Capllonch und Quetglas, verwandelten den Bau 1910 in ein Museum. Sie stellten Briefe, Partituren, Zeichnungen und sogar Haare Chopins aus - und zogen damit Ströme von Touristen an. Mit der Zeit wucherten Restaurants und Souvenirläden, das alte Kloster wurde zur Pilgerstätte. Doch bald begann ein Krieg zwischen den Familien, der sich über drei Generationen zog. Schon 1932 traf Chopins Biograph Édouard Ganche in Mallorca ein, um das Problem mit der Zelle zu klären. Er sprach mit den Quetglas und besichtigte das alte Klavier der Firma Pleyel, das mittlerweile im Haus der Bankiersfamilie stand. Es handelte sich, so Ganche, zweifelsohne um das wahre Chopin-Klavier. Also zurück in die Zelle damit.

Das Problem: Die Besitzer der anderen Zelle vermarkteten ihre bereits. Als sie von Quetglas' Plänen erfuhren, präsentierten sie ein Klavier der Firma Oliver Suau als "authentisch zertifiziert". Der Streit zog sich über die Jahre durch Kunstakademien, überlebte den Bürgerkrieg sowie die Franco-Diktatur. Lange waren die Ferrás die Gewinner: Ihre Reliquien galten als authentisch, ihr Instrument wurde stets mit Chopin verbunden.

Aber 1990 rebellierten die Quetglas und ließen das Buch von Édouard Ganche neu auflegen. Mittlerweile votierten immer mehr Chopin-Experten für das Quetglas-Klavier und die Quetglas-Zelle. Belege stützten ihre These. Zum Beispiel der Brief, den Chopin an den französischen Klavierbauer Camille Pleyel geschrieben hatte: "Ich schicke Ihnen die Präludien, die ich mit Ihrem Klavier beendet habe", so steht dort geschrieben. Ein eindeutiger Beweis.

Der Übersetzer von George Sands Reisebericht wiederum berichtete bald von einem Zeitzeugen, der ihm die Quetglas-Zelle als Zelle Chopins höchstpersönlich bestätigt habe. Und nicht zuletzt zeigt eine Zeichnung von Maurice Sand Details, die nur auf die Quetglas-Zelle verweisen können.

Vor der Urteilsverkündung haben auch die Richter die Kartause besucht. Mit ihrer Entscheidung wurde nicht nur der Wissenschaft Recht gegeben, endlich ging auch die Geschichte einer Farce zu Ende. Der Familie Ferrá-Capllonch, die den Prozess verlor, bleibt nun immerhin noch eine riesige Chopin-Sammlung und auch das Chopin-Festival von Valldemossa, das sie veranstaltet.

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