Anschläge in Norwegen:Die Elite der Destruktion

Rambo-Pose und eine Bling-Bling-Uniform wie über den Durst genommen: Die selbstinszenierten Poser-Bilder des Attentäters von Norwegen wirken geradezu erbärmlich aufgeplustert. Doch sie wollen nur eines signalisieren: keine Gesprächsbereitschaft.

Bernd Graff

Nichts scheint er dem Zufall überlassen zu haben. Seine merkwürdige, synkretistisch zusammengepappte Hetzschrift mit Versatzstücken aus dem ideologischem Bullshit der vergangenen Jahre, seine geradezu poserhaften Porträtfotos, die ihn wie einen Salon-Löwen auf Shoppingtour wirken lassen, seine Phantasie-Gala-Uniformen, die unbedingt ins Operettenhafte gehen, seine Waffen- und Labor-Bilder, die ihn wie einen Experten für Raketenwissenschaft aussehen lassen sollen: Anders Behring Breivik hat an seinem Image gearbeitet, bevor er zum Massenmörder wurde.

Picture of Breivik taken from book downloaded from a link posted on Norwegian discussion website is seen in this screen grab

Anders Behring Breivik in Paradeuniform: Bevor er zum Massenmörder wurde, hat der Norweger akribisch an seinem Image gearbeitet.

(Foto: REUTERS)

Es ist das eines unbedingten Kämpfers, eines best-equippten Killers, der sich als die Avantgarde einer Elite wähnt, die es besser weiß und wissen will, die supersmart, durchsetzungsstark und konsequent zugleich scheinen möchte, die keine Argumente mehr benötigt, weil sie keine Meinung gelten lassen kann. Denn Meinung, etwas, das zur Diskussion gestellt wird, kommt in den göttergleichen Sphären dieser Elite nicht vor. Da lebt man von sich selbst berauscht - und handelt wider jede Menschlichkeit.

Man muss sich das klarmachen: Das inszenierte Weltbild von Anders Behring Breivik ist kein menschliches mehr, ja, es kann Menschen nicht einmal dulden. Dahinter steckt der Glaube an eine unhinterfragbare Superiorität, die nichts kennt und gelten lässt außer sich selbst: Gespräche, Diskurs, Diskussion sind nicht nur nicht erwünscht, sie sind unmöglich. Anders Behring Breivik posiert als Vertreter einer Aristokratie der vermeintlichen Weltretter, die, aber das ist auch nur auf den ersten Blick erstaunlich, ihre Mission vorab auf unzähligen Seiten niedergeschrieben hat und Anleitungen dazu stellt, wie sie massenhaft und für alle Endgeräte zu verbreiten ist.

Auf den zweiten Blick erkennt man aber auch hier das Muster: Die Botschaft wird dekretiert, sie ist eindeutig, sie wird nicht verhandelt oder besprochen. Die Uniformbilder haben denselben Gestus. Sie suggerieren: Herrschaft, Ordens- oder Logenzugehörigkeit, eine Art hochgejazztes Kreuzrittertum mit stilisiertem Totenkopf, gestriegeltes Herrenmenschentum.

Auch hier: Es wird nicht kommuniziert im Sinne eines Austauschs. Es wird verbreitet. Und verbreitet wird Blendwerk: Phantasie-Orden und Epauletten, Schulterkordeln und Bandschnallen, Manschetten, Gold und Eiserne Kreuze. Geschneidert wurde eine Bling-Bling-Uniform wie über den Durst genommen, die überall des Guten zu viel hat. Ganz ähnlich überdimensioniert das Waffenbild mit der Kampfausrüstung, die wenigstens Nuklearsprengköpfe im Köcher haben muss. Die Anleihen bei Galauniform und Rambo-Pose sind überdeutlich: Insinuiert wird der Orbit der Computerspiele, der Action-Helden, jener Kunst- und Fantasy-Welten, die manichäistisch geteilt sind in Amphetamin-Gut und Morsch-Böse. Es ist das Biotop für ein legendäres Testosteron-Rittertum, das auf Privatfeldzug ist.

Die reine Fassade also, die auch wieder nur eines signalisiert: keine Gesprächsbereitschaft. Denn, so könnte man sagen, der Feind ist ausgemacht: Es sind wir alle. Und Artus, der erste Ritter der Tafelrunde, lässt sich nicht zu denen in eine Talkshow herab. Daher auch das Clanhafte in den Dankesbezeugungen an die "Brüder und Schwestern" im Schlussteil des Pamphlet-Vorworts. Bezeichnet werden sie als "mutige Individuen, die über die Welt verteilt sind". Eine Weltmission also soll da konstatiert werden, verbreitet über sämtliche medialen Kanäle, die das 21. Jahrhundert kennt und getragen von Auserwählten, die eben schon jetzt um aktuelle Gefahr und künftiges Heil wissen: "Kein Kompendium dieser Art existiert heute", schreibt Anders Behring Breivik über seine Auslassungen, "lasst euch also von diesen Thesen nicht verschrecken. Manches mag komplett absurd oder zu radikal erscheinen, aber in wenigen Jahrzehnten werdet ihr seine Relevanz für unseren Kampf erkennen. Und es ist recht wahrscheinlich, dass ihr es später nachlesen möchtet."

Das Nachlesen sollte man jetzt den Psychiatern überlassen, die Gutachten zu Breivik erstellen müssen. Sie sind zu bedauern. Denn sie könnten auch gleich den Master Chief aus dem Computerspiel "Halo" auf die Couch legen.

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