Afrikabild im Westen:Im Herz der Finsternis

Hauptsache wild, Hauptsache schwarz - das Bild, das sich der Westen von Afrika macht, ist erschreckend stereotyp.

Arne Perras

Einem gängigen Afrika-Klischee folgend, beginnen wir dort, wo die westliche Welt die Afrikaner am häufigsten verortet: mitten im Krieg.

" Black Hawk Down "

In Büchern und Filmen ist Afrika meistens nur Kulisse: Das bemerkenswerte am Film Black Hawk Down zum Beispiel ist nicht, dass die Somalier die Bösen sind, sondern dass Somalia und seine Menschen im Film nicht vorkommen. 

Mogadischu, 1993. Die Amerikaner wollen Somalia retten, aber es gelingt ihnen nicht. Sie sind mit wehenden Fahnen gelandet, aber schließlich ziehen sie gedemütigt ab, nachdem die Leichen zweier US-Soldaten von einem Mob durch die staubigen Straßen von Mogadischu geschleift werden. Die Baustelle "Frieden für Somalia" wird an die Warlords zurückgegeben, der Staat am Horn von Afrika bleibt eine Ruine. Die Hollywood-Version des US-Abenteuers, der Kriegsfilm "Black Hawk Down", wird acht Jahre später mit zwei Oscars gekrönt. Dass die gegnerischen Milizen im Film die Bösen sind, ist zu erwarten gewesen. Nicht einmal die Somalier, die sich das Stück später im zerschossenen Mogadischu angesehen haben, hat das besonders gestört. Es war etwas ganz anderes, was Staunen, ja Ärger bei den dortigen Zuschauern provozierte: Somalia und seine Menschen kommen in dem Film nicht vor.

Dass er in Marokko gedreht wurde, mag man gerne entschuldigen. In Somalia wäre das unmöglich gewesen, zu gefährlich für jede Filmcrew. Aber dass die Gegner der Supermacht aussehen wie westafrikanische Milizionäre in Sierra Leone, das haben die Somalier nicht verdaut. Die Schauspieler sind schwarz, aber das ist schon alles. Somalier kommen nicht vor. Identitäten werden beliebig ausgetauscht. Und nichts ist demütigender, als sein Ich zu verlieren.

Würde man in Europa einen Wikingerfilm mit Sizilianern drehen, wäre das Satire. Aber in "Black Hawk Down" fehlt jede Ironie. Das Werk will authentisch sein, aber Somalia ist darin nicht zu erkennen. Dem westlichen Publikum fällt das nur nicht weiter auf. Was lehrt die Episode? Das Bild, das sich der Westen von Afrika macht, ist oft ein wenig unscharf, wenn man es milde formuliert. Man kann auch sagen: Es ist erschreckend stereotyp. Hauptsache wild. Hauptsache schwarz. Hauptsache Afrika. Das muss reichen als Kulisse. Mehr will niemand wissen.

Was in "Black Hawk Down" zu beobachten ist, passt ins größere Bild. Dieser Kontinent wird von außen als monolithischer Block betrachtet. Das wird ihm keinesfalls gerecht. Denn tatsächlich ist er bunt, vielschichtig, widersprüchlich, voller Kontraste. Tausend verstreute Welten, keine wie die andere.

Aber nein! Afrika ist doch Afrika, und das muss wahrlich schrecklich sein! Wie es immer wieder gelingt, alles in einen Topf zu werfen, kann man an der Panik vor der Fußball-Weltmeisterschaft sehen. Sie erreichte ihren Höhepunkt, als das togoische Team Anfang des Jahres in Angola unter den Beschuss separatistischer Rebellen kam. Sofort erschallte ein europäischer Chor: "Seht, es war falsch, diesen Afrikanern die WM zu geben. Wir haben es gleich gewusst." Die Probleme in Angola werden als Beleg für die angebliche Untauglichkeit Südafrikas herangezogen. Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Argumentation ist absurd. Angola ist nicht Südafrika. Banal, aber wahr. Auch wenn es keiner wahrhaben will.

Es ist deshalb gut, sich an Autoren wie Georg Brunold zu halten, der sein schon etwas älteres Buch über den Kontinent treffend mit dem Satz überschrieb: "Afrika gibt es nicht." Zu vielschichtig ist dieser Raum, um ihn mit einem Begriff zu umklammern. In der europäischen Wahrnehmung ist Afrika oft weniger geografischer Begriff als Chiffre. Sie hat historische Wurzeln, die weit zurückreichen. Weil bis heute die wenigsten Europäer Afrika aus eigener Erfahrung kennen, haben wir es vor allem mit Projektionen zu tun. Die Kette der Bilder ist lang. Während der Kreuzzüge waren es "die schwarzen Raben Allahs", die als Hilfstruppen der Araber gegen die Christenheere zogen. Richard Löwenherz beschrieb sie als gespensterhafte Wesen, "von riesiger Statur, von schrecklicher Wildheit". Etwas später gab es das exotische Mitbringsel des "Mohren", schwarze Diener, mit dem sich die feinen europäischen Herrschaften schmückten, wollten sie als weltläufig und reich gelten.

Safari und Massai-Romantik

Besonders prägend aber für das europäische Afrika-Bild wurde die Zeit der imperialen Expansion im 19. Jahrhundert. Sie hat auch zu Romanen inspiriert, den berühmtesten hat Joseph Conrad geschrieben, "Herz der Finsternis". Kann es ein bedrohlicheres Dickicht geben als den Kongo, der dort beschrieben wird? Das Bild hat sich eingegraben im kollektiven Gedächtnis.

Das Grauen! Das Grauen!

Natürlich könnte man auch fragen: Gibt es eine leichtere, fröhlichere Musik als die im Herz der Finsternis? Schließlich hat der kongolesische Sound die Welt erobert. Doch damit würde man an lieb gewonnenen Gewissheiten rütteln. Denn der Kongo muss herhalten als Inbegriff der Düsternis auf Erden. So wie der wahnsinnig gewordene Elfenbeinhändler Mr. Kurtz bei Conrad sein Leben mit den Worten aushaucht: "Das Grauen! Das Grauen!"

Ironischerweise verfehlt die populäre Deutung Conrads die Komplexität des Romans. Denn dieses Werk unternimmt, genauer betrachtet, eine Expedition ins Innere des Menschen, zum barbarischen Kern eines jeden, wenn man so will. Insofern ist der Blick nicht auf Afrika verengt, sondern universell. Aber das ändert nichts daran, dass das Herz der Finsternis mit Afrika assoziiert wird, Und so geistert es noch immer als pars pro toto für den Kontinent umher.

Zwar dürfte das rassistische, von imperialistischen und sozialdarwinistischen Ideen getränkte Bild Afrikas, das sich im 19. Jahrhundert verfestigt hat, heute vielfach zertrümmert sein. Aber doch nicht ganz. Die Vorliebe für die Finsternis legt nahe, dass Fragmente kolonialer Bilder überdauert haben - trotz der Erfahrungen im Dritten Reich und der Zäsur, die Europa 1945 erlebte. Der kenianische Schriftsteller Binyavanga Waynaina hat die Klischees und Vorurteile unnachahmlich satirisch auf den Punkt gebracht, indem er eine Schreibanleitung dafür lieferte, was in einem guten Buch über Afrika keinesfalls fehlen dürfe: "Behandele Afrika, als wäre es ein Land. Es ist heiß und staubig, mit großen Viehherden und großen, dürren Leuten, die hungern. Oder es ist heiß und dampfend feucht, mit sehr kleinen Menschen, die Primaten essen." So geht es weiter, ein Bild nach dem anderen spießt er auf. Humorvoll, aber mit Biss.

Weil eigene Erfahrungen den Europäern oft fehlen, bleiben historisch überlieferte Bilder von Afrika mächtig. Aber sie überlagern sich mit neueren Berichten, wie sie zum Beispiel die Medien liefern. Es liegt in der journalistischen Verantwortung, Klischees und Zerrbilder Afrikas nicht weiter zu bedienen, sondern sie zu korrigieren. Es wäre falsch, daraus zu folgern, dass man künftig weniger über die Gewalt in Afrika berichten sollte. Wer schwere Verbrechen totschweigt, hilft nur den Tätern. Wahr ist aber auch: Es gibt noch ein ganz anderes Afrika, das in Europa recht wenig zur Geltung kommt.

Die Afrikaner bleiben draußen

Nicht selten ist es so, dass Besucher, die von einer Afrika-Reise nach Europa zurückkehren, überrascht erzählen, es sei ganz anders gewesen, als sie erwartet hätten. Vorausgesetzt, sie haben neben Sandstrand und Safari auch noch ein paar Menschen auf diesem Kontinent getroffen. Auf die Mehrheit der Touristen trifft das vermutlich nicht zu. Das gängige Urlaubsverhalten findet seine Entsprechung eher in den Kitschfilmen, die für das Abendprogramm im Fernsehen produziert werden. Europäische Liebesgeschichten, in denen die Afrikaner wieder nur Teil der Kulisse sind - genau wie in "Black Hawk Down". Hier finden europäische Schnulze und US-Action zueinander. Die Afrikaner bleiben draußen.

Und noch etwas fällt auf: In den schwülstigen Romanzen ist die Tierwelt weit wichtiger als einheimische Menschen. Elefanten und Löwen verweisen auf romantische Vorstellungen von der unberührten Wildnis, die als Sehnsuchtsorte ihren Platz in der bürgerlichen Befindlichkeit Europas beanspruchen. Sofern "der Afrikaner" dort als Verkörperung vermeintlicher Ursprünglichkeit hineinpasst, wird er - etwa in Gestalt eines fröhlichen Massai - gerne aufgenommen. Am besten mit Schirmakazie und Kilimandscharo im Hintergrund.

Wer noch etwas mehr erleben will als Safari und Massai-Romantik, dem steht Afrika indes weit offen. Nirgendwo kann man leichter reisen und Menschen kennenlernen als auf diesem Kontinent, solange man die Krisenherde umschifft. Um mit einem gängigen Afrika-Klischee zu schließen: Das Herz der Finsternis wartet noch darauf, entdeckt zu werden.

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