50 Jahre Mondlandung:Das Wunder

Doku "Apollo 11" von Todd Miller

Winzig klein im "Meer der Stille": die Landefähre Eagle, aufgenommen von Neil Armstrong

(Foto: Piece of Magic Entertainment)

Ein Dokumentarfilm erzählt nur mithilfe von Originalaufnahmen die erste Mondlandung. Obwohl man ja weiß, wie das alles ausgeht, ist "Apollo 11" unheimlich spannend.

Von Martina Knoben

Fünfzig Jahre ist es her, dass die Mondlandefähre "Eagle" im Meer der Ruhe aufsetzte. Ein knarzender, rauschender Funkspruch teilte der Welt das Ereignis mit: "Der Adler ist gelandet!" Kurze Zeit später stieg Neil Armstrong etwas umständlich in seinen dicken Astronautenstiefeln Sprosse für Sprosse die Leiter der Fähre hinunter. Ein letzter Schritt, Mondstaub wirbelt pudrig auf. "Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit", knarzte es am 21. Juli 1969 in den Äther. Es war ein Satz für die Ewigkeit - der mittlerweile schon so oft zitiert wurde, dass man ihn eigentlich nicht mehr hören kann. In Douglas Millers Dokumentarfilm aber klingt er plötzlich wieder so überwältigend wie beim ersten Mal, als mehr als eine halbe Milliarde Menschen live vor dem Fernseher den historischen Moment verfolgten. Manche Geschichten werden niemals alt, diese ist eine davon. Douglas Miller hat zum 50. Jahrestag der Mondlandung die Mission noch einmal nacherzählt, mit digital restaurierten, spektakulären Breitwand-Aufnahmen der Nasa und bislang unbekanntem Tonmaterial. Die Mondlandung, dies macht die Fülle des Materials deutlich, wurde von Anfang an auch als Medienereignis geplant. "Apollo 11" ist streng dokumentarisch, ohne Kommentar oder Interviews und chronologisch montiert - ein Direct-Cinema-Abenteuerfilm, der von einem Gestern erzählt, das wie Science-Fiction anmutet.

Aus nächster Nähe und hochaufgelöst kann der Zuschauer nun die Mission miterleben: Wie die drei Astronauten - Kommandant Neil Armstrong, Edwin "Buzz" Aldrin und Michael Collins - ihre weißen Raumanzüge anlegen, die, obwohl bleischwer, irgendwie windig, mehr wie Filmkostüme denn Schutzanzüge wirken. Zuschauer des Raketenstarts sind zu sehen, die mit riesigen Teleskopen und Kameras auf der anderen Seite der Lagune von Cape Canaveral in den Himmel starren, auf Cadillacs oder Hippie-Bussen sitzend, die Frauen tragen ultrakurze Röcke und Schmetterlingssonnenbrillen, viele Männer Hut. "Apollo 11" ist ein Rücksturz in die Sechziger, im Radio sind die neuesten Nachrichten aus Vietnam zu hören. Immer wieder ist die Kamera im Kontrollraum, fährt die Reihen mit Ingenieuren und Wissenschaftlern vor klobigen Überwachungsmonitoren ab. Im Hintergrund läuft ständig der Countdown. Die Anspannung ist mit Händen zu greifen. Die Männer - es sitzen ausschließlich Männer im Konrollraum, keine Frauen und auch keine Farbigen - scheinen selbst nicht wirklich fassen zu können, was sie da gerade tun. Dass sie Menschen zum Mond schicken! Die auch wieder heil zurückkommen sollen!

Doku "Apollo 11" von Todd Miller

Man glaubt Neil Armstrong anzusehen, dass nun wirklich nicht klar war, ob die drei Astronauten heil von ihrer Mission zurückkommen würden.

(Foto: Piece of Magic Entertainment)

Das Staunen aller Beteiligten über das eigene Vermögen, den Mut, das Wissen, auch die Hybris gehört zu den faszinierendsten Beobachtungen dieses Films. Es kumuliert - zunächst - in dem mächtigen Feuerball, als die Rakete zündet, die, erst langsam, als ob die Erde sie festhielte, schließlich kraftvoll in die Weiten des Weltraums abhebt. Die Kamera fährt die Saturn-V-Trägerrakete am Anfang in ihrer ganzen imponierenden Mächtigkeit ab. Aus der Ferne aber wirkt sie fast elegant, weiß und schlank vor einem leuchtendblauen Himmel. Die Space Shuttles später wirkten wie Weltraum-Lkws dagegen.

Doku "Apollo 11" von Todd Miller

Cape Canaveral am 16. Juli 1969: Tausende Schaulustige sahen dem Start der 2940 Tonnen schweren Saturn-V-Trägerrakete zu.

(Foto: Piece of Magic Entertainment)

Obwohl jeder weiß, wie die Sache ausging, ist "Apollo 11" spannend. Gleichzeitig wirkt das Abenteuer aus der Nähe betrachtet auch unspektakulär: Instrumente checken, essen und schlafen in der Schwerelosigkeit, die Sterne hinter den Fenstern, selbst die Landung auf dem Mond, während der der "Eagle" fast der Sprit ausgeht - das wirkt auch wie Astronauten-Routine oder jedenfalls wie die Bausteine eines so grandiosen wie komplizierten Plans, der überraschenderweise funktionierte. Solche Geschichten liebt das Kino.

Der Zuschauer wird dabei allerdings ziemlich allein gelassen. Weder wird der Ablauf der Mission erläutert noch deren Hintergründe: dass das Ziel der Mondreise vor allem Propaganda war, dass die Astronauten auch deshalb so schnell (und mit relativ wenig Vorbereitung) durchstarteten, damit sie den Russen zuvorkommen. Auch die wenig wissenschaftliche Ausrichtung des Ganzen wird nicht hinterfragt. Um Erklärungen oder gar Kritik aber soll es in diesem quasi offiziellen Jubiläumsfilm, der in Zusammenarbeit mit der Nasa entstand, nicht gehen. Der Weltraum erscheint vielmehr noch einmal als last frontier, als letzte, ultimative Grenze, die von kühnen amerikanischen Technikern erobert wurde. Die Mondlandung war schließlich in vielerlei Hinsicht ein Höhepunkt. Nie wieder war die Technikbegeisterung so groß und ungebrochen, der Glaube daran, dass der Mensch alles kann. Space-Nerds werden den Film lieben. Aber auch alle anderen versetzt er in eine Zeit, als die Zukunft noch ein funkelndes Versprechen war.

Apollo 11, USA 2019 - Regie, Buch, Schnitt: Todd Douglas Miller. Kamera: Adam Holender. Verleih: Piece of Magic Entertainment, 93 Minuten.

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