30 Jahre "Ein bißchen Frieden":Wie Nicole das Publikum verrückt machte

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Wallende Mähnen und Mittelscheitel waren gerade total hip, als eine 17-Jährige Schlagergeschichte schrieb. 1982 gewann Nicole den Grand Prix d'Eurovison de la Chanson mit ihrem Ohrwurm. Zwei sehr subjektive Erinnerungen: an den unvergesslichen Auftritt in Harrogate - und an ein Nicole-Konzert 21 Jahre später.

Beate Wild und Gökalp Babayigit

Zwei sehr unterschiedliche Erinnerungen an Nicoles Auftritt:

30 Jahre "Ein bißchen Frieden": Die 17-jährige Schlagersängerin Nicole Hohloch gewann 1982 den europäischen Schlagerwettbewerb "Grand Prix d'Eurovison de la Chanson". (Foto: dpa)

24. April 1982, Niederbayern

Von Beate Wild

Blondes langes Haar, züchtiges Pünktchenkleid und eine schneeweiße Gitarre: Das Mädchen, das 1982 beim Grand Prix d'Eurovison de la Chanson (so hieß früher der Eurovision Song Contest) im englischen Harrogate mit der Startnummer 18 für Deutschland antrat, bezauberte Europa von der ersten Strophe an. Ihr Name: Nicole. Einfach nur Nicole. Der Nachname tat und tut bis heute nichts zur Sache.

Mit zuckersüßer, glockenklarer Stimme sang sie ihr Lied Ein bißchen Frieden. Bis heute können Menschen, die damals dabei waren, den Refrain aus dem Stehgreif mitsingen. Auch ich war damals dabei, als die erst 17-jährige Nicole mit ihrem Lied für die Bundesrepublik antrat. Dabei heißt, ich saß, damals zehnjährig, wie gebannt vor dem Fernseher meiner Eltern und war hellauf begeistert von diesem engelsgleichen Wesen mit dem - für meine damaligen Ohren - wundervollen Lied.

"Wie ein Feuer im eisigen Wind ..."

Schon vor dem Wettbewerb galt Nicole als heiße Favoritin auf den ersten Platz. Ganz Fernseh-Deutschland war euphorisiert - fast so wie von Lena Meyer-Landrut und ihrem Satellite vor zwei Jahren. Und ebenso wie Lena hatte Nicole einen bekannten Mentor im Hintergrund. Was heute Stefan Raab für den Songcontest ist, war früher Ralph Siegel für den Grand Prix. "Ein bißchen Frieden", das er zusammen mit Bernd Meinunger geschrieben hatte, sollte der größte Erfolg seiner Komponistenkarriere werden.

1982 waren die Zeiten noch andere. "Wie eine Blume am Winterbeginn, und so wie ein Feuer im eisigen Wind ..." - der Text trieft vor bedeutungsschwangerem Kitsch, aber damals traf er den Nerv der Bundesdeutschen. Dabei war die Art, wie der Siegerhit präsentiert wurde, unglaublich steif und unsexy. Zu der Zeit hüpften ja schon Abba und Boney M über die Bildschirme, locker in den Hüften und wenig Stoff auf der Haut. Man war also durchaus schon anderes gewohnt.

Doch die Performance von Nicole beschränkte sich darauf, dass sie mit ihrer weißen Gitarre auf einem Barhocker saß und bedeutungsschwer in die Kamera blickte. Im Hintergrund wurde ab und zu Ralph Siegel am Piano eingeblendet. Wenn man sich den Fernsehmitschnitt heute im Internet ansieht, glaubt man kaum, wie jung der auch einmal war.

Das Styling des Teenagers ist im Rückblick doch recht bieder. Ein hochgeschlossenes schwarzes Kleid mit weißen Pünktchen, dazu ein weißer Spitzenkragen, auf den auch Königin Victoria stolz gewesen wäre. Und erst die Haare: Dunkelblonde lange Locken, der Pony in der Mitte gescheitelt, mit einer Riesenwelle nach außen geföhnt - die achtziger Jahre, wie man sie kennt und liebt.

Nachdem Nicole in Harrogate gewonnen hatte, durfte sie dem Publikum ihr Lied noch einmal vortragen. Mit feuchten Augen lächelte sie strahlend in die Kameras. Den Refrain sang sie auf Englisch: A Little Peace. Ach, wie schön waren doch die Achtziger.

2003, im Breisgau

Von Gökalp Babayigit

Tischbrunnen. Diese zwei Tischbrunnen, original verpackt, gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich kann sie nicht vergessen und will es im Grunde auch nicht mehr. Sängerin Nicole hatte sie gerade von zwei überglücklichen Fans auf der Bühne geschenkt bekommen, als ich langsam verstand, was hier eigentlich los war.

Das "Hier" war ein Freiburger Konzertsaal vor neun Jahren, meine Anwesenheit erzwungen. Nicht von meiner Zeitung, sondern von meiner Mitpraktikantin, die nicht alleine zu ihrem ersten Einsatz gehen wollte: zu Nicole.

Was also war hier los? Ein voller Saal, die Menschen, junge und alte und viele mittelalte, saßen und ließen sich etwas vorsingen von Nicole, Schlagerstar vor allem vergangener Zeiten. Grand-Prix-Siegerin. Mädchen mit der weißen Gitarre. Ein bisschen Frieden. Auf den ersten Blick.

Auf den zweiten Blick aber war da viel mehr. Gleich nach den ersten beiden Liedern wünschten sich die Menschen Ein bißchen Frieden. Nicole blickte zum Bühnenboden, sie wolle nicht nur für dieses Lied stehen, sie wolle ihren Fans auch andere, auch ihre neuen Lieder vorsingen. Doch die Fans wünschten es sich wieder von ihrer Nicole, und immer wieder. Irgendwann forderten sie. Ihr Lieblingslied.

Teil der Familie

Als zwei Fans auf die Bühne kamen und ihr zwei gleiche Tischbrunnen überreichten, Keramik fürs Wohnzimmer, da verstand ich und da verstand sie. Diese Menschen sahen Nicole, das Mädchen mit der weißen Gitarre, als eine aus ihrem engsten Kreis, als Teil ihrer Familie. Man kann einem Menschen, der einem einen Tischbrunnen schenkt, keinen Wunsch abschlagen.

Ich würde mich schämen, mich über dieses Konzert lustig zu machen. Ich will das nicht.

Nicole sang ihr Lied. Ich war auch schon auf Hochzeiten und Kindergeburtstagen. Aber ich habe selten glücklichere Menschen gesehen als auf diesem Nicole-Konzert. Sie liebten sie. Ich klatschte. Ein bisschen Frieden.

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