Zweite S-Bahn-Stammstrecke:Lasst das mit dem Loch - baut eine Ringbahn

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Für Münchens zweite S-Bahn-Stammstrecke wird längst tief gegraben, beispielsweise unter dem Marienhof, hinterm Rathaus. (Foto: Deutsche Bahn Mediathek)

Leser hoffen, dass das Milliarden-Desaster noch gestoppt wird und andere, günstigere und schnellere Lösungen zum Zuge kommen.

"Ein Duell wie im Wilden Westen" vom 2. Juli und "Bayerns BER" vom 1. Juli:

Für eine Ringbahn

Siehe da: Die beteiligten Politiker Joachim Herrmann, Alexander Dobrindt, Horst Seehofer, Dieter Reiter sowie Bahn-Vorstand Richard Lutz und Ronald Pofalla haben die Bürger mit leeren Versprechungen angelogen: "S-Bahn-Ausbau München" und "Pro Bahn" haben schon 2017 dargelegt, dass weder Bauzeit noch der Kostenplan eingehalten werden können. Der Skandal beginnt bei der geschönten Kosten-Nutzen-Analyse, dem katastrophalen Brandschutzkonzept, dass der dritte Bauabschnitt noch nicht genehmigt ist, dass Zugkapazitäten in der Innenstadt nur um zehn Prozent steigen, dass der Zehn-Minuten-Takt verhindert wird. Klimafreundlich kann dies nicht sein, wenn man sich die entstehenden Betonwüsten anschaut und weiß, was Beton für eine CO2-Schleuder ist. Da die erste Stammstrecke schon nicht funktioniert, sagt der gesunde Menschenverstand, dass man nicht noch eine zweite baut.

Deshalb schließe ich mich der Forderung der FDP an: Sofort den Bau stoppen, Ertüchtigung von maroden Stellwerken, Weichen, Triebwerken. Und Bau einer Ringbahn, wofür die Gleise zum größten Teil schon existieren. Ruckzuck fertig, Geld gespart und MVV-Kunden zufrieden, das ist einer Metropole würdig. Wir wollen kein Stuttgart 21!

Robert Neff, München

Milliardengrab

Wir bekommen jetzt, was zu erwarten war, wenn man bei der Entscheidung über die beiden Varianten "Tunnel" versus "Südring" nicht die voraussichtlichen Baukosten betrachtet, sondern die zu erwartenden Kosten pro Personenkilometer als alleinigen Bewertungsmaßstab nimmt. An Gegengutachten und Mahnern hat es 2011 bei der Entscheidung nicht gefehlt. Heute ist man bei der zweiten Stammstrecke genau so weit wie damals, als die Transrapidpläne wegen zu hoher Kosten beerdigt wurden. Der Unterschied zum Transrapid liegt darin, dass man die Kostensteigerungen lange unter Verschluss gehalten hat und durch intensive Bautätigkeit glaubt, für vollendete Tatsachen gesorgt zu haben, bevor eine vollständige Planung oder eine Genehmigung für das Gesamtprojekt vorlag.

Interessant ist, dass jetzt fast heimlich der zweigleisige kreuzungsfreie Anschluss des Pasinger Bahnhofs an den Südring in Planung beziehungsweise im Bau ist - wesentliche Voraussetzung für die schnelle Verbindung vom Pasinger Bahnhof zum Ostbahnhof. Dann fehlt nur noch der lange anstehende Neubau der baufälligen Eisenbahnbrücke an der Lindwurmstraße, kombiniert mit einer S-Bahn-Haltestelle und Umsteigemöglichkeit zum U-Bahnhalt Poccistraße. Sinnvolle weitere Haltepunkte wären Bahnhof Laim und Heimeranstraße. Für Kapazitäten, die mit der zweiten Stammstrecke vergleichbar sind, ist der viergleisige Ausbau ab Südbahnhof bis Ostbahnhof erforderlich. Die Isar könnte man ohne Probleme kostengünstig mit vier Gleisen überqueren. Ob dann viergleisig weitergefahren werden kann oder die S-Bahngleise besser in einem etwa drei Kilometer langen Tunnel geführt werden, lässt sich klären. Bei den noch zu erwartenden Kosten für die zweite Stammstrecke ist diese Variante aber sicher ein Schnäppchen. Vorteil: Entlastung von Hauptbahnhof und Marienplatz durch weniger Umsteiger.

Wolfgang Renger, Herrsching

Ein absehbares Desaster

Die zweite S-Bahn-Stammstrecke habe ich von 2005 bis 2012 intensiv als CSU-Kommunalpolitiker begleitet und durch meine Alternativvorschläge dazu beigetragen, dass Ministerpräsident Seehofer im April 2012 das "Aus" öffentlich erklärte. Darauf setzte ein riesen Druck aus dem Speckgürtel ein, der den Untergang Oberbayerns beschwor, wenn der Tunnel nicht gebaut würde. Ich will historische Gerechtigkeit, daher ein kleiner Abriss: In den 1990er Jahren war das Ziel, alle Außenäste im Zehn-Minuten-Takt betreiben zu können. Wie ich ab 2005 propagierte, war dies für die fünf Äste rechts der Isar mit der Ertüchtigung auf 30 Zugpaare pro Stunde möglich. Links der Isar sind es aber sieben Äste und damit 42 Zugpaare pro Stunde. Die zwölf überschüssigen Zugpaare hätten über den ausgebauten Südring geführt werden können - oder über eine betriebliche Verknüpfung der U4/U5 mit der S-Bahn in Pasing (mein Vorschlag). Wie in den Großagglomerationen Japans üblich, könnten Zweisystemfahrzeuge der U-Bahn die vier westlichen Außenäste ab Pasing bedienen. Der geniale Vater der Münchner U-Bahn, Klaus Zimniok, hatte diesen Betriebsverbund schon beim Design der Münchner U-Bahn im Visier. Der VCD München hat 2002 erstmals einen ähnlichen Ansatz vorgestellt. Da die U-Bahn nach Pasing sowieso gebaut würde, spart man sich die zweite S-Bahnstammstrecke. Bestechend, oder?

München hat sich dennoch gegen die Zweisystemlösung gewehrt. Die Grünen haben 2002 den Bau der U-Bahn-Pasing gestoppt, um den Freistaat in die zweite S-Bahnstammstrecke zu zwingen. In der Ära von Verkehrsminister Zeil (FDP) wurden die ÜFEX-Züge aus dem Hut gezaubert, die die zweite Stammstrecke für die überregionale Flughafenanbindung nutzen sollten. Damit hat man den Zehn-Minuten-Takt auf allen Außenästen über Bord geworfen. Trotz erbittertem Widerstand aller Verbundlandkreise sollen die meisten Strecken auf 15-/30-Minutentakt umgestellt werden. So haben die Entscheidungsträger bei Stadt, Bund und Land das 7,2 Milliarden-Euro-Desaster angerichtet. Leider haben uns in den letzten zwanzig Jahren Entscheider wie Hans-Jochen Vogel oder Klaus Zimniok gefehlt.

Dr.-Ing. Georg Kronawitter, München

Neuer Tunnel für die zweite Stammstrecke

Ist die zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke "Bayerns BER"? Mit Verlaub, das ist sie nicht. Für die Genehmigung des Flughafens Berlin-Brandenburg war ein kleines Landratsamt zuständig. Die zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke liegt in der Hand viel größerer Behörden. Die annähernde Verdoppelung der Kosten ist keine Besonderheit. Schon im vorigen Jahrhundert vervierfachten sich die Kosten des Klinikums Aachen. Bauherr war damals die "Neue Heimat". Im letzten Jahrzehnt verelffachten sich die Kosten der Hamburger Elbphilharmonie, deren Architekten in München nicht unbekannt sind. 80 Prozent Kostensteigerung bei der zweiten Stammstrecke fallen im Vergleich nicht wirklich auf. Auch nicht die Art, wie sich Projektverantwortliche aus der Affäre schleichen: Das Bundesverkehrsministerium trägt zwar 60 Prozent der Kosten, sei aber kein "Projektbeteiligter". Wirklich? Minister Markus Blume meint, das "Projektdesaster ist eine Frechheit". Wo hat er seinen Bau- oder Wirtschaftsingenieur gelernt? Die Stadt München hat mit ihrer Isarphilharmonie ein Gesellenstück hochwertiger und kosteneffizienter Projektentwicklung hingelegt: Ein zwanzigstel der Kosten der Elbphilharmonie bei gleicher Klangqualität (Architekten aus Hamburg, Akustiker aus Japan). Für die Planung der zweiten Stammstrecke könnte sie jetzt ihre Meisterprüfung machen. Weil der Streckenverlauf erkennbar kaum neue Erschließungsqualität bringt, wäre ein neuer Tunnel unmittelbar neben dem bestehenden eine realistische Alternative. Vielleicht dauert die Umplanung etwas länger. Die Einsparung wäre es aber wert. Sonst könnte man noch auf einen weiteren Vergleich kommen: Weil Stuttgart sein "21" erhält, muss München ebenso teuer werden. "Südschiene" eben.

Dr.-Ing. Reinhold Gütter, Hamburg

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© SZ vom 12.07.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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