Süddeutsche Zeitung

Zukunft der CDU:Heikler Kampf um die Spitze

Lesezeit: 4 min

AKK geht, wer kommt? Und wann? Wenn die Partei sich zu lange mit sich selbst beschäftigt, hilft das vor allem der Konkurrenz, meinen Leser. Die Präferenzen sind breit gestreut: Röttgen, Laschet, Merz oder eine Doppelspitze? Vieles ist möglich, nur bitte nicht kungeln!

Zu " Auch Röttgen drängt an die CDU-Spitze", " Der Spielverderber" und " Partei ohne Chefinnen", alle vom 19. Februar, sowie zu "Konservatismus: Das alte Zauberwort" vom 14.Februar:

Auf Kurs zum Tiefpunkt

Die CDU rast mit einer intergalaktischen Geschwindigkeit auf das Ziel "Tiefpunkt" zu. Jeder noch so (Un-)Bekannte in der Partei überschüttet uns gerade, und dazu noch in aller Öffentlichkeit, mit leerem und sinnfreiem "Bla-Bla-Gequassel" à la Wiederholungsverein. Die einzig vernünftige Person in der CDU scheint im Moment die Kanzlerin Angela Merkel zu sein, die sich dazu total ausschweigt! Vielleicht auch besser und viel vernünftiger so!

Klaus P. Jaworek, Büchenbach

Röttgen schließt Hinterzimmer

Norbert Röttgen kandidiert überraschend für den CDU-Vorsitz. Er begründet seine Bewerbung in einer Pressekonferenz und geht dort auf die "drängenden Themen" ein: das Auseinanderdriften Ost- und Westdeutschlands, die Beseitigung der Gründe für den Erfolg der AfD, die Stärkung der EU, die Umwelt- und Klimapolitik und die Stärkung der gesellschaftlichen Offenheit. Kurz, es gehe um eine Grundidee zur Zukunft Deutschlands. Dass diese Themen anstehen, werden auch die anderen Interessenten vertreten. Doch da diese Themen "drängend" sind, drängt sich die unabweisbare Frage auf: Sind die anderen Interessenten überhaupt willens und in der Lage, die genannten Probleme schleunigst anzupacken?

Laschet, Spahn und Merz haben ja bis heute nicht einmal erklärt, dass sie antreten wollen. Sie wägen wohl noch "taktische Opportunitäten" ab. Eine entsprechende Hinterzimmerlösung aber verhindert nun die Kandidatur von Röttgen. Dagegen hinterließ Röttgen auf seiner Pressekonferenz den Eindruck, dass er die drängenden Probleme mit Dampf und Tempo angehen will. Nach alldem erscheint er mir im Augenblick der Richtige unter den Bewerbern zu sein. Ob diese Einschätzung wahr ist, wird die Zukunft zeigen.

Dr. Horst Reinhard, München

Söder wartet ab

Ich verfolge die Berichterstattung über die Nachfolge bei CDU-Vorsitz und Kanzlerin aufmerksam. Ich nehme wahr, dass die Diskussionen darüber immer mehr Fahrt aufnehmen. Dazu werde ich die folgenden Gedanken nicht los: Der Söder ist ja so schlau, es merkt nur keiner. Er behauptet beiläufig, er bliebe in Bayern und ginge nicht als Kanzlerkandidat ins Rennen. Er wolle lieber seinem Bundesland dienen. Ich denke hingegen, dass Söder die Merzs, Spahns und Laschets dieser Republik erst einmal vorpreschen lässt. Die werden sich irgendwie gegenseitig ausbremsen und ihr Pulver verschießen. Schließlich sind sie kampfesmüde und verbrannt.

Nach zunächst verhaltenen, dann aber immer lauter werdenden Söder-Rufen wird sich der bayerische Ministerpräsident zuerst noch zieren. Schließlich jedoch tritt er als Retter und Heilsbringer aus dem Gebüsch hervor und steht dann natürlich als potenzieller Merkel-Nachfoger zur Verfügung. Wollen wir wetten...?

Achim Bothmann, Hannover

Schnelle Einigung ist wichtig

Durch den unerwarteten Rückzug vom CDU-Vorsitz und ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur hat Annegret Kramp-Karrenbauer der CDU einen Bärendienst erwiesen und ein erdbebenartiges Führungschaos ausgelöst, das die Partei in den Abgrund reißen kann. Die CDU muss deshalb das Chaos, die inneren Machtkämpfe sowie das Intrigenspiel schnellstmöglich beenden und sich inhaltlich sowie personell grundlegend neu aufstellen. Schließlich ist auch das Experiment der Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz auf der ganzen Linie gescheitert. Ob es jedoch klug ist, die Nachfolgeregelung durch die letztlich an Selbstüberschätzung und Führungsschwäche krachend gescheiterte Parteichefin moderieren zu lassen, ist fraglich. Vielmehr braucht die Partei endlich eine durchsetzungsstarke, kompetente Respektsperson, die den drohenden Zerfall der Partei stoppt, versöhnt und durch uneingeschränkte Führungsstärke wieder schnell auf Linie bringt. Für die Übergangszeit könnte auch eine politische Persönlichkeit mit hohem Ansehen nach innen und außen als Lösung infrage kommen.

Die Vorstellung von Annegret Kramp-Karrenbauer, die Nachfolge an der Parteispitze in den Hinterzimmern der Macht in Kungelrunden zu klären, ist jedenfalls der falsche Weg, und die Vorstellung, sie könne bis zur Kür eines Kanzlerkandidaten CDU-Vorsitzende bleiben, zudem grotesk. Die Partei braucht so schnell wie möglich eine Antwort auf das Führungschaos, kein Postengeschacher und sie kann sich keine weitere Hängepartie leisten. Sonst werden andere Parteien das Machtvakuum nutzen.

Dietmar Helmers, Westerheim

Wie wäre eine Doppelspitze?

Warum wird eigentlich bei der CDU das Thema Doppelspitze aus Frau und Mann nicht einmal ansatzweise diskutiert?

Dr. Bärbel Rott, Freising

Konservatismus neu definieren

Joachim Käppner unterscheidet in seinem Kommentar den reaktionären Konservativismus, der sich illusionär an vergangenen Zeiten orientiert, als der Mann in der Familie noch bestimmen konnte und Politik noch von respektheischenden Honoratioren gemacht wurde. Als zweite Form des Konservativismus wird jener bezeichnet, der sich auf Erhaltenswertes bezieht. Dabei wirft Käppner den Grünen Kretschmann und den nationalkonservativen Roland Koch in einen Topf. Hier ist Differenzierung angebracht: Die einen wollen die Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft erhalten: Marktradikalität, auch wenn sich dadurch die Spaltung in Arm und Reich vergrößert; "freie Fahrt für freie Bürger" für die Autonation, auch wenn das die Umwelt belastet; das Ende der Atomkraft und den Kohleausstieg hinauszögern, weil so traditionelle Arbeitsplätze und Konzerngewinne gesichert werden; festhalten an industrieller Landwirtschaft mit Orientierung am Weltmarkt für Agrarprodukte, auch wenn Gülle ins Grundwasser gelangt; das traditionelle Familienbild wahren und gegen die Ehe für alle sein, weil Rücksicht auf Kirchen und Verbände genommen wird.

Die andere Gruppe orientiert sich an konservativen Werten, welche die Rechte und Freiheiten des Einzelnen mit dem Zusammenhalt in der Gesellschaft verbinden: Wenn der Wert der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gelten soll, kann nicht die Gewinnmaximierung zulasten anderer im Fokus der Politik stehen, sondern es bedarf des sozialen Ausgleichs. Wenn der Wert der gesundheitlichen Unversehrtheit ein hohes Gut ist, darf ich die Luft mit meinem SUV nicht überdurchschnittlich verschmutzen, sondern hier muss die Freiheit des Einzelnen maßvoll begrenzt werden. Wenn der Wert gelten soll, dass für das Leben in der Provinz gleiche Lebensbedingungen gelten sollen, dürfen Krankenhäuser, Schwimmbäder oder Busverbindungen nicht den Regeln des Profits unterworfen werden, sondern muss die Daseinsvorsorge Aufgabe des Staates bleiben.

Will die CDU nicht nur ein Kanzlerwahlverein sein, sollte sie sich vor der Kür eines Kanzlerkandidaten entscheiden zwischen dem blinden Vertrauen in den Markt, verbunden mit nicht mehr zeitgemäßen Traditionen und einer Neuauflage der sozialen Marktwirtschaft, die, an Werten orientiert, aktuelle Problembereiche wie Ökologie, Migration und neue Weltordnung einbezieht.

Hans Dall, Hamburg

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4809907
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.