Zensus-Befragung:Wenn der Staat klingelt

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Wie wohnen die Deutschen? Auch darum geht es bei der Zensus-Befragung. Die mehr als 23 Millionen Anschreiben zur Gebäude- und Wohnungszählung werden seit Mai verschickt. (Foto: Ole Spata/dpa)

Baujahr, Heizungsart, Kaltmiete: Bei der diesjährigen Zensus-Befragung werden auch Daten über Häuser und Wohnungen erfasst. Was wollen die Behörden wissen? Und muss man darauf antworten?

Von Berrit Gräber

Nach elf Jahren ist es wieder so weit: Das Volk wird gezählt. Die statistischen Ämter müssen ihre Datenlage auf den neuesten Stand bringen und ermitteln, wie die Bürger in Deutschland leben, arbeiten und wohnen. Im Rahmen dieses sogenannten Zensus 2022 sind auch alle Immobilieneigentümer, Vermieter und Hausverwalter in diesem Land zur Mitwirkung verpflichtet. Die mehr als 23 Millionen Anschreiben zur Gebäude- und Wohnungszählung werden seit Mai in Wellen verschickt, die letzten gehen schon bald raus.

Neu ist: Die Angeschriebenen sollen erstmals auch via Computer antworten. Die Online-Teilnahme sei sehr gut gestartet, sagt Katja Wilken, Gesamtprojektleitung des Zensus 2022 beim Statistischen Bundesamt. Doch so manche Eigentümer und Vermieter zögern, sind unsicher - und haben vor allem viele Fragen. Was Angeschriebene wissen sollten, warum auch Mieter betroffen sind und Trödeln nichts bringt. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Warum gibt es die Volkszählung?

Mithilfe des Zensus will der Staat aktuelle Daten über seine Bevölkerung in Erfahrung bringen. Nur ein kleiner Teil der Haushalte, weniger als zehn Prozent, wird bei persönlichen Stichproben-Interviews unter anderem dazu befragt, wie es um ihre Ausbildung steht, um Familienstand, Alter, Berufstätigkeit und Staatsangehörigkeit. Die Ergebnisse werden dann hochgerechnet. Außerdem gibt es eine groß angelegte Gebäude- und Wohnungszählung. "Das soll Erkenntnisse liefern, wo zum Beispiel Wohnungen fehlen, in der Stadt, auf dem Land oder auch, wie viel Wohnfläche einer Person oder einer mehrköpfigen Familie zur Verfügung steht", erklärt Enrico Becker, Sprecher des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden. Wichtige Entscheidungen von Bund, Ländern und Gemeinden stützten sich auf die Zensusdaten. Gleiches gilt für die Berechnung von EU-Fördermitteln und des Länderfinanzausgleichs. Die Angaben der Bürger unterliegen der statistischen Geheimhaltung und würden ausschließlich für statistische Zwecke genutzt, betont Becker. Ein Rücklauf an Behörden oder Dritte sei ausgeschlossen. Die gewonnen Daten werden laut Becker "frühestmöglich, spätestens aber vier Jahre nach Erhebung gelöscht".

Wer wird angeschrieben?

Beim Zensus 2022 werden also nicht nur grundlegende Daten über die Bevölkerung, sondern auch der Gebäude- und Wohnungsbestand sowie die Wohnsituation der Haushalte ermittelt. Deshalb bekommt jeder, der in Deutschland ein Haus oder eine Wohnung besitzt, gewerblich Mehrfacheigentümer und Verwalter ist, einen Brief zugeschickt. Der Absender ist das jeweilige Landesamt für Statistik, in dem die Immobilie liegt. Wer also in München ein Haus hat und in Frankfurt eine Eigentumswohnung, bekommt Post sowohl vom Bayerischen als auch vom Hessischen Landesamt. Angeschriebene bekommen mit dem Brief die Zugangsdaten, mit denen sie sich am Computer auf der Webseite www.zensus 2022.de einloggen können. Für jedes Objekt müssen die Angaben extra gemacht werden. Es gibt für jede Immobilie eigene Zugangs- und Aktivierungscodes. Wer viele Gebäude und Wohnungen besitzt, hat also einiges zu tun. Gibt es mehrere Eigentümer und Eigentümerinnen, müssen nur diejenigen Auskunft geben, die angeschrieben wurden.

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Was will der Staat wissen?

Abgefragt werden unter anderem Baujahr, Gebäudetyp, Heizungsart, Wohnfläche, die Zahl der Räume, außerdem die Nettokaltmiete und Gründe eines möglichen Leerstands. So manche Vermieter stolpern bei der Frage nach den Namen von bis zu zwei Bewohnern, die zum Stichtag am 15. Mai 2022 in der Wohnung leben. "Diese Frage ist erlaubt", erklärt Christof Stein, Sprecher des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) in Bonn. Eine extra Einwilligung der Mieter zur Preisgabe ihrer Namen sei beim Zensus nicht nötig, bestätigt Dietmar Wall vom Deutschen Mieterbund in Berlin. Ein Vetorecht gibt es nicht. Viele Vermieter sind aber gehalten, ihre Mieter über die Abfrage in Kenntnis zu setzen. Ist im Mietvertrag bereits eine Generalklausel enthalten, dass der Eigentümer Daten weitergeben darf, wenn er rechtlich dazu verpflichtet ist, gelten Mieter als bereits informiert. "Ich empfehle, bei der Abfrage bei der Wahrheit zu bleiben und keine Fantasienamen anzugeben", rät Wall. Weil die Daten mit den Meldeämtern abgeglichen werden, werde Schwindeln zum Bumerang.

Braucht man spezielle Computerkenntnisse?

Nein. Die Beantwortung geht für PC-Geübte recht flott, bestenfalls ist in zehn Minuten alles erledigt. Vorausgesetzt, die Befragten sind vorbereitet und haben sich vorher ihre Unterlagen zur Immobilie herausgesucht. Sind die Zugangs- und Aktivierungscodes eingegeben, nimmt das Menü die Bürger quasi an die Hand und führt sie Punkt für Punkt durch den Online-Fragebogen. Tippfehler werden gleich angezeigt. Das System prüft die Eingaben sofort auf Plausibilität und Vollständigkeit. Wer Erläuterungen zu einzelnen Fragen braucht, kann Informationsfelder anklicken. Es besteht kein Zeitdruck. Ältere und Ungeübte, die keinen Computer haben oder Unterstützung brauchen, können sich bei der Online-Befragung von Kindern, Verwandten oder Bekannten helfen lassen. Wer Berührungsängste hat, kann sich unter www.zensus2022.de über Details informieren, vorab einen Musterfragebogen anschauen oder bei den eigens geschalteten Hotlines der Statistischen Ämter anrufen. Die Nummern stehen auf den Anschreiben.

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Muss jeder Angeschriebene mitmachen?

Ja. Jeder Bürger, der zur Haushaltebefragung ausgewählt oder zur Gebäude- und Wohnungszählung angeschrieben wird, muss teilnehmen. Die Auskunftspflicht findet sich in Paragraf 23 des Zensusgesetzes. Wer trödelt und den Online-Fragebogen nicht innerhalb der gesetzten Frist beantwortet, bekommt automatisch ein Erinnerungsschreiben mit Papierformular zugeschickt. Ignorieren bringt also nichts, höchstens eine happige Geldstrafe von mindestens 300 Euro. Die Höhe wird von den Bundesländern festgelegt. Zahlen, aber nicht antworten geht auch nicht. Die Statistikämter dürfen notfalls so lange Zwangsgelder festlegen, bis Verweigerer Auskunft geben. Außerdem gilt: Immer bei der Wahrheit bleiben. Schwindeln und falsche Daten angeben kann unter Umständen noch teurer zu stehen kommen als Verweigern. In Niedersachsen werden für Falschangaben beispielsweise bis zu 5000 Euro Bußgeld fällig.

Darf der Staat das alles abfragen?

Ja. "Es gibt eine gesetzliche Grundlage für den Zensus", erläutert BfDI-Sprecher Stein. Seit 2008 existiert die europaweit einheitliche Rechtsverordnung (763/2008), die auch Deutschland dazu verpflichtet, alle zehn Jahre einen Zensus durchzuführen. Die aktuelle Erhebung war schon für 2021 geplant, wurde wegen Corona aber auf den Stichtag 15. Mai 2022 verschoben. Im Vorfeld hatte es Kritik an der Erhebung einzelner personenbezogener Daten gegeben sowie an der technischen Verarbeitung der gesammelten Daten mithilfe eines US-Netzwerkanbieters. "Auf die eine oder andere Angabe bei der Befragung hätte verzichtet werden können", so Christof Stein. Außerdem habe das Statistische Bundesamt technisch nachbessern müssen. Insgesamt gebe es aber keine Bedenken mehr. Enrico Becker vom Statistischen Bundesamt sagt: "Die Erfassung ist datenschutzkonform."

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes wurden zwei Zitate der falschen Person zugeschrieben. Der Satz "Auf die eine oder andere Angabe bei der Befragung hätte verzichtet werden können" sowie die Aussage "Außerdem habe das Statistische Bundesamt technisch nachbessern müssen" stammen nicht, wie fälschlicherweise berichtet, vom Sprecher des Statistischen Bundesamts Enrico Becker, sondern vom Sprecher des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Christof Stein.

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