Zeitumstellung:Wenn die Uhren anders gehen

Nach der Umfrage zur Zeitumstellung soll gehandelt werden. Aber immer Sommerzeit gefällt Lesern auch nicht. Ganz im Gegenteil. Sie finden außerdem, dass die EU-Kommission vorschnell und populistisch auf ein irrelevantes Umfrageergebnis reagiert.

Uhren
Foto für die Forumseite vom 10.9.2018

Ab jetzt für immer Sommerzeit? Oder doch was anderes?

(Foto: Jan Woitas/dpa)

"Die Uhr tickt" vom 1./2. September und "Frühaufsteher gegen Langschläfer" vom 30. August:

Irrelevantes Umfrageergebnis

Wie kann sich ein europäischer Spitzenpolitiker wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Ernst an einer Umfrage orientieren, an der knapp ein Prozent der Befragten teilgenommen haben? Gleichgültig, wie imposant die absoluten Zahlen dargestellt werden (vier Millionen, 80 Prozent!), eine solche Umfrage ist schlicht irrelevant und kann nur marginale Bedeutung haben. Bedenklich ist auch, dass alle Medien die Beteiligung, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnen. Ich sehe in dieser Entwicklung ein Fortschreiten der Akzeptanz des Populismus. Wenn nur noch reflexartig von 80 Prozent Gegnern der Zeitumstellung berichtet wird, und die EU - und auch Kanzlerin Angela Merkel - sich freudig dieser Lesart bedient, ist es bis zur Akzeptanz "alternativer Fakten" nicht mehr weit. Die Vermeidung einer unangenehmen Diskussion über das schwierige Thema Zeitumstellung steht offenbar im Vordergrund. Aufklärung und Versachlichung sind nicht gefragt, man möchte einen schnellen, populistischen Erfolg erringen - vorwiegend wohl bei Menschen, die von zwei Umstellungsterminen im Jahr hysterisch genervt sind und die Nachteile einer unverschobenen Zeit nie kennengelernt haben.

Felix Schäfer, Ascheberg

Äquator für alle

Konsequenterweise müssten die biorhythmisch-schlafgesteuerten Zeitumstellungsgegner auch eine Abschaffung der arbeitsfreien Wochenenden fordern, die ja das belastende Längerschlafen am Sonntag fördern. Und ebenfalls sollten die jährlichen Urlaubszeiten entfallen, die mit langen Abenden und vielleicht sogar Nächten sowie dem verspäteten Frühstück nach dem quälend-erholsamen Ausschlafen unsere Gesundheit ruinieren. Auch der ökologisch so bedenkliche Boom von Flugreisen in andere Zeitzonen ist zu überdenken: Karibiknächte, Expeditionen in ferne Abend- und Morgenländer, Einkaufsbummel im Fernen Osten oder Wilden Westen, während daheim alles schläft? Da sei der Zeitwächter vor, der mit Sicherheit weiß, was den Deutschen guttut. Vielleicht könnte man ja auch die belastenden Jahreszeiten abschaffen mit all dem ständig wechselnden Hell und Dunkel: Äquator für alle!

Christoph Berger, Hamburg

Es gibt Wichtigeres

Die Zeitumstellung ist lästig, ist gewohnt, kostet hier und da Geld, ist aber nicht Europas größtes Problem. Nun nimmt sich Jean-Claude Juncker dessen an. Die weniger wichtigen Aufgaben scheinen oft auch leichter zu lösen als die wichtigen, also sucht man verlorene Schlüssel nicht dort, wo man sie verloren hat, sondern da, wo es hell genug zum Suchen ist. Warum kann ein Europamanager nicht solche Aufgaben an nachgeordnete Kräfte mit auch weniger Medienspektakel delegieren und wichtigeren Aufgaben seine Energie widmen? Kann es sein, dass man in Brüssel glaubt, dem Wahlvolk eine Aktion präsentieren zu können, die es glauben macht, dass die EU doch zu etwas gut ist, insbesondere für den Chef?

Hans-Joachim Gebert, Konstanz

Minderheit der Meckerer

Die EU-Online-Umfrage zur Sommerzeit hat angeblich eine große Mehrheit für die Abschaffung der Zeitumstellung ergeben. Das ist falsch. Es haben nur ca. 0,8 Prozent der EU-Bevölkerung überhaupt an der Umfrage teilgenommen, und selbst diese Zahl darf stark angezweifelt werden, da Mehrfachabstimmungen problemlos möglich waren. Eine Verifizierung der Daten hat nicht stattgefunden. Diese Minderheit der ewigen Nörgler und Meckerer hat es also geschafft, der überwältigenden schweigenden Mehrheit ihren Willen aufzuzwingen. Funktioniert so Demokratie in Europa?

Die Auswirkungen hat offensichtlich niemand so richtig bedacht, so würde es im Winter erst um zehn Uhr hell, die Kinder müssten ein halbes Jahr lang im Dunkeln zur Schule gehen, die Zahl der Verkehrsunfälle in den Morgenstunden würde ansteigen, usw. Seit fast 40 Jahren hat die Zeitumstellung fast reibungslos funktioniert und jetzt soll sie abgeschafft werden, weil es einigen Leuten lästig ist, ihre Uhr umzustellen. Die sollen sich halt eine Funkuhr zulegen, die macht das automatisch. Die angeblichen gesundheitlichen Probleme dürften hauptsächlich hypochondrischer Art sein, beim Urlaub in der Karibik mit sechs Stunden Zeitverschiebung klappt's ja auch.

Heinz Bauer, Nürnberg

Plädoyer für die Normalzeit

Für mich war eigentlich klar: wenn die Zeitumstellung abgeschafft wird, dann gilt Normalzeit. Das ist die sogenannte Winterzeit, die unserem Biorhythmus entspricht und die der Gesundheit aller förderlich ist. Wie man auf die Idee kommen kann, die unserer inneren Uhr eben gerade nicht entsprechende "Zeit" beizubehalten, ist mir ein Rätsel. Ich hoffe, diejenigen, die darüber zu entscheiden haben, geben der Vernunft den Vorrang und nicht der Meinung derer, die denken, sie verpassen etwas, wenn es abends eine Stunde früher dunkel wird.

Claudia Hofmann, Büchenbach

Ein Markt, viele Zeiten?

Ganzjährig Sommerzeit - soll das ein Witz sein? Da werden sich die Zeitumstellungsmuffel aber wundern, wenn sie auch im Winter eine Stunde früher aufstehen müssten ... Kein Witz ist allerdings der ohne Hirn und Notwendigkeit vorgebrachte Vorschlag der EU-Kommission, jedem Land seine eigene Zeit zu erlauben. Die Europäische Union mit gemeinsamem Binnenmarkt, gemeinsamer Währung und ohne Binnengrenzen würde somit Binnenzeitgrenzen erlauben, die nicht nur den gemeinsamen Binnenmarkt behindern, sondern auch dem Geist einer Europäischen Gemeinschaft widersprechen würden. Die Einführung einer westeuropäischen Zeit für die iberische Halbinsel dagegen wäre rational begründbar, hat aber nichts mit der Zeitumstellung zu tun.

Christian Schneeweiß, Schlehdorf

Die Erde dreht sich weiter

Die Frage, ob die Sommerzeit beibehalten oder abgeschafft gehört, ist offenbar in Deutschland und der EU eine dringliche. Kaum liegt das Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage vor, will die EU-Kommission handeln. Auch die SZ beteiligt sich regelmäßig an den Debatten über Pro und Contra der Sommerzeit. So erklärt ein Chronobiologe in einem Interview auf die Frage "Weg mit der Sommerzeit?", man sollte so wenig wie möglich an der Natur herumjustieren. Ich halte fest: Bei der Zeitumstellung wird an der Uhr herumjustiert, man dreht den Minutenzeiger um eine Umdrehung vor oder zurück, je nachdem. Ein Eingriff in die Natur liegt nicht vor. Erde und Mond drehen sich unbeeindruckt weiter.

Wolfgang Dubberke, Hamburg

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen.

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