Süddeutsche Zeitung

Wortschöpfung:Trialog statt Triell

Warum hat eine Wortschöpfung, die noch dazu an eine Auseinandersetzung mit Waffengewalt erinnert, als Begriff die Kanzlerdebatten im Fernsehen geprägt?

Wie kommt man eigentlich auf den (absurden) Begriff "Triell"? Man hat einfach das "Duell" zweier Menschen - eigentlich eine Auseinandersetzung mit Waffengewalt - um eine dritte Person erweitert. Das Duell bezeichnet ursprünglich ja die Klärung von Auseinandersetzungen zwischen zwei Menschen mit Waffengewalt. Von dort wurde es - leider - übernommen: etwa für "Begegnungen" zweier Mannschaften im Sport - wieso wollen wir die Mannschaften sich partout duellierend denken, könnten sie sich nicht auch "messen" wollen? Besonders bedauerlich ist, dass der Begriff "Duell" auch für Gespräche genutzt wird. Könnten wir die Menschen nicht auch einen Dialog führen lassen? Das setzt ja nicht voraus, dass sie dieselbe Ansicht vertreten, im Gegenteil: Der Dialog lebt davon, dass verschiedene Auffassungen vorgebracht und darüber nachgedacht, auch gestritten, wird. Aber zivilisiert, konstruktiv, ohne Waffen.

Einerseits werden wir derzeit mit Recht sprachlich sensibler für Begriffe und Namen. Wir schauen genau hin und wollen wissen: Was meinen wir mit dem Begriff, wollen wir ihn weiter so verwenden, den Namen (und Menschen dahinter) würdigen? Andererseits werden wir leider grober: Die Wortwahl in der Auseinandersetzung etwa in der Corona-Pandemie ist schlimm, manchmal schändlich - und in jedem Fall schädlich. Wie wäre es, aus dem Triell einen Trialog zu machen? Den Begriff gibt es schon, und dass er aus dem psychologisch-psychiatrischen Umfeld stammt, kann nicht schaden: Es ist ein Feld, das gewohnt ist, genau zuzuhören; zu klären, was gesagt und gemeint wurde; und darüber nachzudenken, was für eine gute Zukunft helfen könnte.

Bernhard Schlicht, München

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Quelle:
SZ vom 23.09.2021
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