Wohnen:Stein der Weisen

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Wie bekommt man die Misere auf dem Wohnungsmarkt in den Griff? Ein Leser bemängelt die jahrzehntelange Unwilligkeit der Politik, dieses Thema nachhaltig anzugehen. Ein anderer fordert, alle Expertenvorschläge gleichberechtigt zu diskutieren.

" Mit dem Boden fängt es an" vom 21. September und "Der Boden gehört allen" vom 8./9. September:

Unwillige Politik

Laura Weissmüller hat in "Der Boden gehört allen" völlig recht, und man kann es nicht oft genug wiederholen: Der Boden ist wie Wasser und Luft eine unserer Lebens-Ressourcen, gehört zu den Commons - und darf keine Ware sein. Dazu fehlen dem Boden fast alle Merkmale; ein ganz wesentliches ist seine Nicht-Vermehrbarkeit. Der Bodennutzung einen Preis zu geben, ist das eine. Die Verteilung des Bodens den Fiktionen eines Boden"marktes" anheim zu geben, zeugt indes von einem asozialen Verständnis von Ökonomie, die ausschließlich den Mechanismen spekulativer Profitmaximierung gehorcht.

In großen Ballungsräumen wie in München wird die Höhe der Gestehungskosten für Wohnraum inzwischen zu zwei Dritteln vom Bodenpreis bestimmt. Auch kein noch so billiges Bauen kann die hohen Bodenpreise kompensieren. Wer programmatisch "Bauen, Bauen, Bauen" fordert, um darüber bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, muss auch klären, wie die Bodenpreisspirale angehalten werden soll, die mit dem Bauen allein weitere Umdrehungen erfährt. Auch das gelobte Münchner Instrument der "Sozialgerechten Bodennutzung" (SoBoN), mit der Bauinvestoren unter bestimmten Umständen an den Kosten der öffentlichen Infrastruktur beteiligt werden, wirkt kaum dämpfend auf die Bodenpreisentwicklung.

Was tun? Die bayerische Verfassung enthält seit über 70 Jahren das Verfassungsgebot: "Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen" (Art. 161, 2). Aber wie sollen diese abgeschöpft, wie soll es umgesetzt werden? Gab es dazu in der Vergangenheit Initiativen der Landtagsparteien? Fehlanzeige. Und was sagen die Programme (soweit bekannt) der Parteien, die im Oktober in den bayerischen Landtag (wieder) einziehen wollen? Nichts! Vor über 40 Jahren wurden vom damaligen Bundesbauminister Hans-Jochen Vogel, vormals Münchner Oberbürgermeister, Vorschläge zur Reform des Bodenrechts vorgelegt, weitere Vorschläge zur Abschöpfung des Bodenwertzuwachses und zum Planungswertausgleich standen zur Debatte. Nichts davon wurde umgesetzt und seitdem politisch nie wieder ernsthaft aufgegriffen. Die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte Reform der Grundsteuer könnte zur Debatte über eine umfassende Bodenrechtsreform genutzt werden. Die Politik zeigt sich aber unwillig. Der spekulative Umgang mit Grund und Boden ist einer der Haupttransmissionsriemen, der die Verbreiterung und Vertiefung der Spaltung unserer Gesellschaft vorantreibt. Wenn die Politik weiterhin versagt, wird die Bürgergesellschaft die Angelegenheit selber in die Hand nehmen müssen.

Dr. Detlev Sträter, München

Mietgipfel bringen nichts

Ein heißes Eisen, das Heribert Prantl in "Mit dem Boden fängt es an" anpackt, wie er von den Ursachen der hohen Mieten, historischen tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen berichtet und versucht, Wege in eine bessere, gerechtere Wohnwelt aufzuzeigen. Dabei kann man sich aber durchaus fragen, ob es sinnvoll ist, sich dabei sehr überalterter Formulierungen zu bedienen wie "furchtbare Waffe", der "Starke", der "Schwache", "Unterdrückung" und "Selbstsucht". Auch die "gute Hypothek", die "Gemeinwohl-Hypothek" liegt in dieser Richtung und ist wohl ungeeignet, eine Brücke hinüber zu einer harmonischen, gerechteren Vorstellung zu bauen. Auch die sogenannten Mietgipfel, wohl eine Art Krisenbesprechung von Politikern, scheinen da nicht wirklich zu helfen zu Lösungen, die zu einem als richtig empfundenen Zustand führen. Man sollte, kann einem scheinen, eine Pause machen und eine Art Rat der Weisen beauftragen, in aller Ruhe eine und eventuell eine zweite und dritte Lösung zu erarbeiten, die - und das wird sehr schwierig sein - wirtschaftlich und rechtlich schlüssig und überzeugend sind. Dazu braucht es die besten Fachleute auf diesen Gebieten. Erst deren Vorschläge sollten dann in der Politik entschieden werden, im Zweifel nach einem einfachen Mehrheitsrecht und nicht nach einem Prinzip, wie man es als "Richtlinienkompetenz" heute kennt.

Gerhard Faßrainer, München

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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