Wissenschaft:Kommunikation schafft Fakten

Aussagen von Virologen sind in der Pandemie sehr wirkmächtig. Dessen sollten sie sich bewusst sein, schreiben Leser. Christian Drostens Beschwerde, oft verkürzt dargestellt zu werden, stößt auf Verständnis.

Zu "Als Wissenschaftler schafft man keine Fakten" vom 25./26. April:

Christian Drosten ist sicher ein hoch integrer Wissenschaftler und vermutlich einer der versiertesten Virologen im Lande. Aber die Naivität seiner Aussage, als Wissenschaftler schaffe man keine Fakten, sondern wolle Fakten untersuchen, hat mich überrascht. Das ist so, wie wenn Pressefotografen sagen, sie schafften mit ihren Fotos keine Wahrheiten, sondern bildeten die Wahrheit nur ab. Jedes Foto greift gewollt oder ungewollt einen Ausschnitt heraus und schafft damit eine Wahrheit. Gefährlich wird es nur, wenn man sich dessen nicht bewusst ist oder gezielt manipuliert wird. Wissenschaftler schaffen allein durch die Entscheidung für ein Studiendesign Fakten, ob sie es wollen oder nicht. Frei nach Watzlawick: So wie man nicht nicht kommunizieren kann, kann man nicht keine Fakten schaffen. Kommunikationstheorie sollte für alle Wissenschaftler Pflichtfach sein. Und für Journalisten.

Ulrich Scharmer, München

Zu dem Artikel über das Wirken des Professor Drosten möchte ich anmerken, dass die naturwissenschaftlich-objektivierende Auffassung der Welt nicht die einzige ist. Gerade aus den Geisteswissenschaften wissen wir doch um die normativen Kräfte der Interpretation, der gewählten Worte. Auch Sprache ist Ausdruck des Bewusstseins, des Denkens, der Weltsicht - sich als Wissenschaftler, gerade in diesen Zeiten, nur als den am faktischen Geschehen mehr oder minder unbeteiligten Boten einer objektiv erfassten Realität zu verstehen, hielte ich für fahrlässig und wünschte dringend Selbstreflexion. Letztere umso mehr, als da ja unzweifelhaft zu sein scheint, dass die erfasste Realität so objektiv ja nun nicht ist; zu groß die Anzahl der leider nur im Ansatz und dann auch noch schwach ausgetragenen Kontroversen innerhalb der Naturwissenschaften und anderer Disziplinen. Will sagen: Im coronaviralen Raum stehen diverse Auffassungen über das korrekte Zählen der Fälle, also die ihre Objektivität überhaupt erst ermöglichende Erfassung, munter neben unterschiedlichen Interpretationen und Vorstellungen über das, was an Maßnahmen nun zu ergreifen und zu unterlassen sei.

In Zeiten des Zweifels sind Wissenschaftler aller Richtungen aufgefordert, achtzugeben auf ihre Worte an und in die Welt. Sie haben das Zeug des Faktenschaffens und bedürfen des Nachdenkens, der Diskussion und nicht des medialen Dauertrommelfeuers.

Dr.phil. Hartmut Reinke, Bremen

Das Vorgehen der Interviewführerin Kathrin Zinkant gab mir zu denken. Herr Drosten beschwert sich, dass seine Aussagen in den Medien häufig verkürzt würden und der Kontext verändert würde. Frau Zinkant meint, dass "manchmal Verkürzungen die Dinge auch klarer" machten, Herr Drosten sich vielleicht ein dickeres Fell zulegen müsse. Herr Drosten gibt daraufhin ein Beispiel, wie eine Woche zuvor durch eine Verkürzung seine Aussage eindeutig verfälscht wurde. Es sind aus Herrn Drostens Diskussionsbeiträgen in den vergangenen Wochen weitere solcher Falschdarstellungen bekannt, von denen ich annehmen muss, dass sie auch Frau Zinkant nicht entgangen sind. Hierzu kommt aber kein weiteres Wort von ihr im Interview.

Ich empfinde es als schlimm, wenn das so hingenommen und dagegen nicht deutlich Stellung bezogen wird. In den USA ist diese Entwicklung in manchen Medien bereits weit fortgeschritten und in eine Fox-News-Methode eingemündet.

Dr. Wolfgang Schulte, Schlüchtern

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