Wirecard:"Ich war irgendwie geblendet"

Wirecard: Privatanlegerin Sabine Mulla.

Privatanlegerin Sabine Mulla.

(Foto: Lena Kampf)

Eine Kleinanlegerin berichtet, wie sehr sie dem Kurs der Wirecard-Aktie vertraut hat.

Von Lena Kampf

Sabine Mulla war keine fanatische Wirecard-Anlegerin. Keine, die in Internetforen darüber gefachsimpelt hat, warum Wirecard-Aktien die höchsten Rendite versprechen, wie etwa in der Facebookgruppe "Wirecard - a lifetime invest", die noch Mitte Juni 2020 fast 5000 Mitglieder hatte. Aber auch Sabine Mulla, 69, war davon überzeugt, dass Wirecard ihre kleine Rente aufbessern würde. Mit ihrem Mann betreibt sie eine Autowerkstatt in Berlin-Steglitz, sie haben fünf erwachsene Kinder. Einen Nachfolger haben sie bisher nicht gefunden, obwohl sie ihr Geschäft längst verkaufen wollten. Genug gespart hatten sie. Zumindest dachten sie das.

22 000 Euro haben Sabine Mulla und ihr Mann in Wirecard-Aktien investiert. "Ein Flop", sagt Mulla heute. Nun beginnen sie erneut zu sparen, für den Fall, dass mal eine Reparatur an ihrem Haus droht, einer von ihnen krank wird oder sie sich mal eine längere Reise gönnen möchten.

Eingestiegen ist das Ehepaar, als Wirecard 2018 in den Aktienindex Dax kam. Es war es eines von mehreren deutschen Unternehmen, in das die Mullas investiert haben. Dax-Konzerne, dachte Mulla, stehen für Qualität, für solides Wirtschaften. "Ich meine, die kommen ja nicht einfach so rein", sagt sie. "Deutschland hat ein gutes Kontrollsystem", davon war sie überzeugt. Dass sie ein Risiko mit Aktiengeschäften eingeht, war ihr dabei durchaus bewusst. Aber was bringt sonst noch Rendite?

Die Entwicklung des Kurses hat sie täglich verfolgt. Immer nach oben. Also kauften die Mullas nach, im Oktober 2019 und zuletzt noch im Mai 2020. An die kritischen Berichte habe sie dabei nicht so geglaubt. "Ich habe das immer ein bisschen weggeschoben. Ich war irgendwie geblendet", sagt sie. Ein Zahlungsdienstleister im Online-Handel, das ist doch ein zukunftsweisendes Modell. "Warum soll da was schieflaufen? Das war für mich ein Unding." Nach schlechten Nachrichten korrigierte sich der Kurs schließlich immer wieder nach oben. Für Mulla ein Zeichen, dass bei Wirecard alles in Ordnung war.

Am 18. Juni 2020, als die Wahrheit über Wirecard bekannt wurde, färbte sich ihr Depot tiefrot: "Es war schmerzlich. Ganz bitter." Von ihrem Notgroschen blieben nur ein paar hundert Euro übrig. Sie habe überlegt, Angela Merkel einen Brief zu schreiben, es dann aber gelassen. Einer Klage hat sie sich auch nicht angeschlossen, das würde nur weiteres Geld kosten aber nichts bringen, sagt sie.

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