Süddeutsche Zeitung

Weitere Leserbriefe:Schattenseiten einer Reform-Universität

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Leser ergänzen und kommentieren die SZ-Recherchen zu einem sehr problematischen Stellenbesetzungs-Versuch an der Ruhr-Universität Bochum nach dem Zweiten Weltkrieg.

Schattenseiten einer Reform-Uni

Zu " Die Verschwörung" vom 31. März: Willi Winkler verweist auf ein düsteres, bis heute nicht aufgearbeitetes Kapitel der Geschichte der Ruhr-Universität Bochum. Aus dem Privatarchiv des ersten BND-Chefs Reinhard Gehlen hat Winkler Hintergründe und Manöver um die Berufungspolitik an dieser Hochschule aufgedeckt. Sie zeigen, dass der Versuch, sich als Reformuniversität zu etablieren, bereits in der Gründungsphase verspielt wurde.

Im Mittelpunkt dieses Geschehens stand jener Ordinarius, der beim BND unter dem Decknamen "Jonas" geführt wurde: der Soziologe Professor Dr. J. Ch. Papalekas. Bereits in den ersten Tagen dieser Universität (1964) war er bemüht, Berufungslisten und Kommissionen zugunsten seiner reaktionären Gesinnungsgenossen zu beeinflussen. Papalekas war Faschist; er hatte 1946 an der Universität Innsbruck promoviert, mit einer Arbeit, die in weiten Teilen Paraphrase von Hitlers "Mein Kampf" war. Dies geschah zu einer Zeit, als Bilder von Auschwitz und Dachau um die Welt gingen. Er unterstützte während des Ordinariats die Militärjunta in Griechenland und legitimierte deren blutige Niederschlagung der Studentenbewegung.

Studenten, die sich gegen diese Gesinnung wehrten, wurden mit Hilfe des Rektorats (Rektor Kurt Biedenkopf (CDU)) und der Bochumer Justiz verklagt und verurteilt: Faschist sei eine Beleidigung. Unter den Studenten gab es für Papalekas nur den "Ring Christlich Demokratischer Studenten" (RCDS), der ihn unterstützte. Mitglied dieses Vereins war zu dieser Zeit auch der spätere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der fünfundvierzig Jahre später viele bewegende Gedenkreden zum Holocaust hielt. Vertreter der professoralen Assistenten war Michael Naumann (SPD), später sozialliberaler Kulturstaatssekretär. Auch er und seine Kolleginnen und Kollegen hatten es sich neben Herrn Papalekas gemütlich gemacht. Von Papalekas manipulierte Berufungslisten wurden allerdings durch das sozialdemokratisch geführte Wissenschaftsministerium in NRW sanktioniert.

Neben der institutionellen Seite dieses Stücks der Geschichte der Ruhr-Universität gibt es offensichtlich noch eine persönliche Seite, geradezu ein Lehrstück für Karrieren: Lehne dich nie gegen den Zeitgeist auf, oder, ein wenig prosaischer: eine Geschichte über die, die stets mit den Wölfen heulten.

Prof. Dr. Rolf Taubert, Hattingen

Offensichtlich verfügt Herr Winkler über einen schier unerschöpflichen Quellenbestand, denn immer wieder tauchen in seinen SZ-Texten einschlägige Fakten und Bezüge auf. Als 37er-Jahrgang trifft dies jedes Mal auf mein Interesse, und ich versuche dann, aus den Splittern weitere Zusammenhänge zu konstruieren. Zugleich kommt es mir so vor, als werde dies alles im öffentlichen Bewusstsein weiterhin mühelos verdaut, also verdrängt. Daher ist es so wichtig, damit nicht aufzuhören. Irgendwas bleibt doch hängen. Jüngere Leute sind auf solche Recherchen angewiesen; sie erfahren es wahrscheinlich zum ersten Mal.

Guntram Vogt, Nittendorf

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Quelle:
SZ vom 13.04.2021
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