Weitere Briefe:Kopfhörer, freie Rede

Eine Leserin fordert, Ohrhörer aus dem Straßenverkehr zu verbannen. Ein Leser wünscht sich mehr ehrliche Reden.

Musik beim Radfahrer

Musik hören beim Radeln ist grundsätzlich erlaubt. Doch neue Ear-in-Hörer unterdrücken Außengeräusche teilweise sehr. Doch wer nichts mehr hört, auch keine Sirenen oder Hupen, kann sich und andere im Straßenverkehr gefährden.

(Foto: Emily Wabitsch / dpa)

Kopfhörer raus im Verkehr

Zu "Von Stoßzähnen und Knöpfen"`vom 15. Juli: Da lese ich die Beschreibung verschiedener "In Ears"-Kopfhörer und muss doch mit einiger Irritation registrieren, dass bei einem dieser Paare lapidar festgestellt wird: "... lassen sich aber etwa beim Abnehmen eines Fahrradhelms auch leicht abstreifen". Und dass die neue Generation dieser Ohrstöpsel auf eine starke Unterdrückung der Außengeräusche setze. Habe ich etwas verpasst? Was haben Ohrstöpsel im Straßenverkehr verloren? Hier in Köln wird gerade (ernsthaft die meines Erachtens ziemlich unsinnige Frage) diskutiert, ob parkende (!) Autos eine Gefahr für Fahrradfahrer darstellen. Aber dieselben Verkehrsteilnehmer dürfen Außengeräusche während der Fahrt unterdrücken?

Ergo kann auch kein Rettungswagen, keine Feuerwehr, keine Polizei und auch kein Straßenbahnklingeln oder Hupen wahrgenommen werden? Und das wird hier einfach kommentarlos beworben? Meine Meinung: Kopfhörer aller Art sollten grundsätzlich im Straßenverkehr nichts zu suchen haben! Oder aber: Der Radfahrer ist tatsächlich eigenverantwortlich für seine Sicherheit zuständig. Hieße auch: Augen auf im Verkehr - auch im ruhenden. Ich hätte mir im Falle der Unterdrückung von Außengeräuschen im Straßenverkehr eine kritische Anmerkung der SZ gewünscht.

Claudia Darius, Köln

Wenn freie Rede diskriminiert

Zu "Herr und Knecht" vom 11./12. Juli: Das in Artikel 5 Grundgesetz garantierte Recht auf Meinungsfreiheit gehört zu den Menschenrechten, deren Wahrnehmung auch in unserer freiheitlichen Gesellschaft für den Einzelnen gravierende materielle, psychische und soziale Folgen haben kann. Wer bei politisch kontroversen Themen selbst eine demokratisch lupenreine Position vertritt, kann Freunde verlieren oder im sozialen oder beruflichen Kontext leicht ausgegrenzt werden. Ist es mit der Freiheit in unserer westlichen Gesellschaft so weit her, wenn unter dem Deckmantel von Loyalität oder unausgesprochener Political Correctness schweigen oder diplomatische Allgemeinplätze zu schwadronieren geschickter ist als ein unmissverständliches oder gar unbequemes Wort?

Es scheint mir, dass es im semantischen Bermudadreieck zwischen Hate Speech, Fake News und Smalltalk ein sozialkommunikatives Vakuum gibt, das der Demokratie sehr gefährlich werden kann. Wenn angepasste Karrieristen, vermeintlich kluge Zivilbürger oder aalglatte Absolventen von Rhetorikkursen mit ihren standpunktlosen Allerweltsphrasen die gesellschaftlich erwünschte und medial glattgebügelte Konsensrede bestimmen, ist der einst so ersehnte "herrschaftsfreie Diskurs" zum sinnentlernten Gestammel mutiert. Wer deshalb für Freiheit plädiert, muss auch die Rückkehr zu einer echten gesellschaftlichen Debatte proklamieren, deren Teilnehmer für Ehrlichkeit nicht diskreditiert werden dürfen. Wenn im Kontext von Freiheit zu Recht auf Kant verwiesen wird, ist das jesuanische Diktum aktueller denn je: "Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein. Alles andere stammt vom Bösen" (Mt 5,37).

Thomas Gottfried, Freising

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