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Weitere Briefe:Bayerns Scheinheiligkeit beim Brenner-Zulauf

Weitere Themen sind Handys in der Schule und Sterneköche.

Bayerns Scheinheiligkeit beim Brenner-Zulauf

An Scheinheiligkeit kaum zu übertreffen ist die Forderung der bayrischen Staatsregierung, die Blockabfertigung auf der Brenner-Autobahn bei Kiefersfelden einzustellen ("An der grauen Grenze", 22. Februar). Um die Verkehrsprobleme durch das Wipptal überhaupt im Griff zu behalten, muss Tirol an bestimmten Tagen den Lkw-Verkehr limitieren. Etwa ein Drittel der Lastwagen fährt diese Strecke, obwohl beträchtlich länger, überhaupt nur, weil die Lkw-Gebühren auf der bayrischen Zulaufstrecke zu gering, also attraktiv sind. Ein Faktor, den die Verkehrsminister aus Bayern, zuletzt Herr Scheuer, schon längst hätten sachgerecht anpassen können. Insbesondere die als Lösung geltende signifikante Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene wurde von den CSU-Verkehrsministern seit Jahren nach Kräften ausgebremst. Vielmehr hat Herr Scheuer unter Missachtung des Haushaltsrechts über viele Jahre erhebliche Mittel für Umweltschutz bei der Bahn zu hoch angesetzt, um sie dann für den Straßen- und Flugverkehr einzusetzen, anstatt die vorhandenen Strecken mit moderner Technik auszustatten und dadurch die Kapazitäten zu erhöhen. Stattdessen fordert Herr Söder nun in seiner populistischen Manier, der Verkehrsminister - jetzt von der FDP - solle endlich handeln. Hinterfotziger geht's kaum. Und der Bürger fühlt sich verschaukelt, zumal über die Neubautrasse für den Brennerzulauf vom Ministerpräsidenten kein einziges Wort verloren wird.

Herbert Miehle, Augsburg

Feine Sterne und nackte Not

Natürlich läuft einem das Wasser zusammen, wenn man von diesen Gastro-Sternen liest, auch von gefallenen Sternschnuppen, diesen Galaxien einer himmelhoch über München schwebenden Sternenwelt, die Münchens Ordnungspreisen entspricht ("21 Sterne für München", 10. März). Passt alles zur selbstgerechten Ansiedlung von Weltfirmen, die sich die Penthäuser des Wohnens und die Sterne des Speisens leisten können. Und mit Genuss wird von diesem nur Wenigen vorbehaltenen Genuss sehr oft in letzter Zeit in der SZ berichtet. Spiegelt das diese Stadt in Wahrheit wieder, wo hier doch die Schere der Schichten immer weiter auseinandergeht? Sind das Feinschmecker - oder nur feine Leute, sogenannte, die sich das leisten können? Und dann liest man, dass eine Schule geräumt wird für Flüchtlinge aus der Ukraine, und dass Menschen von dort, die Entsetzliches erlebt haben, auf dem Steinboden des Hauptbahnhofs nächtigen müssen, weil die Stadt wohl nicht einmal in der Lage war, Luftmatratzen oder Schlafsäcke und Wolldecken zu besorgen. Die (Hummer-)Schere geht so weit auseinander, dass sie diese Stadt, wie sie einmal war und wie man sie gern immer noch leuchten sieht, in ihrer Lebensqualität samt ihrem so geliebten Lebensfaden zerschneidet. Der feine Geschmack wird in diesen Zusammenhängen, pardon, geschmacklos.

Frank Becker-Nickels, München

Schein-Liberalität

Das kultusministerielle Vorhaben, die Regelung bezüglich der privaten Nutzung von Handys in der Schule künftig den einzelnen Schulen zu überlassen ("Handyverbot wird gelockert", 17. Februar), ist ein durchsichtiges Manöver des Kultusministeriums, sich wieder einmal aus der Verantwortung zu stehlen, getarnt als ach so großzügiges Zugeständnis von "mehr Eigenverantwortung der Schule". Gerade in diesem pädagogisch sensiblen Bereich wäre eine generelle Regelung sinnvoll und notwendig. Wieso sollte sich Gymnasium X für eine andere Lösung als Gymnasium Y entscheiden? Worin bestünden denn die unterschiedlichen Voraussetzungen, auf die das Schulforum dann "passgenau und flexibel" reagieren könne? Zu befürchten ist zudem, dass sich benachbarte Schulen nun gegenseitig einen Überbietungswettbewerb in Sachen Liberalisierung liefern werden - und das, obwohl man die Probleme einer freizügigen Regelung kennt - Stichwort Cyber-Mobbing, gefilmtes bösartiges Pranking. Die halbgaren Modellregelungen mit kaum praxisnahen, weil schwer kontrollierbaren Vorgaben - in den Pausen erlaubt, in Freistunden nur für 8. bis 10. Klasse, "auf Treppen, Gängen und in Toiletten" (Kontrolle?) verboten - gehen so weit an der Realität vorbei wie die Vorstellung, man könne durch die (bereits im Corona-Management zutage getretene) kultusministerielle Entscheidungsverweigerung den Schulen einen Dienst erweisen.

Norbert Mayer, Ebersberg

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SZ vom 15.03.2022
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