Volker Beck:Großes Engagement

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Der Politiker Volker Beck hat bei dem Nominierungsparteitag der NRW-Grünen keinen sicheren Listenplatz mehr bekommen, was in der SZ eher flapsig kommentiert wurde. Dabei hat Volker Beck sich um Deutschland sehr verdient gemacht. Ein Leser klärt auf.

Der Artikel "Das war's" vom 5. Dezember über den Bundestagsabgeordneten Volker Beck wird der politischen Leistung Becks nun überhaupt nicht gerecht. Nico Fried schrieb: "Beck, 55, gehört zu den Politikern, deren persönliche Bekanntheit ihre politische Bedeutung bei Weitem übersteigt", und er unterstellt ihm in einer Parallele zu Claudia Roth "ewigen oft selbstgerecht wirkenden Kampfmodus".

Volker Beck hat sich schon als junger Mensch in Stuttgart sehr intensiv für Lesben und Schwule eingesetzt, wo andere (auch der Schreiber dieser Zeilen) sich damit noch nicht an die Öffentlichkeit getraut haben. Die damalige Politikerin der Grünen, Jutta Oesterle-Schwerin, hatte ihn, unter anderem wegen dieses Engagements, als Referenten in ihr Abgeordnetenbüro nach Bonn geholt, worauf er - welche Provokation damals für das politische Establishment! - hier ein Schwulenreferat (das hieß tatsächlich so) einrichtete. "Schwul" war damals noch kein salonfähiger Begriff, geschweige denn das, was damit assoziiert wurde. So wurde Jutta Oesterle-Schwerin, als sie in einem Redebeitrag im Plenum des Deutschen Bundestags einmal diesen Begriff verwendete, vom damaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger gerügt und wenn ich mich recht erinnere, sogar des Saales verwiesen.

Volker Becks großes Engagement für die Rechte von Minderheiten in diesem Referat und anderswo führte schließlich zu einer breit gefächerten Wählerinitiative "Volker Beck in den Deutschen Bundestag", mit der Folge, dass er damals (!) einen sicheren Platz auf der NRW-Landesliste der Grünen bekam. Im Deutschen Bundestag war Beck dann die treibende Kraft, welche die eingetragene Lebenspartnerschaft in Deutschland möglich machte.

Dass man heutzutage fast selbstverständlich und offen eine schwule Partnerschaft leben kann, ist zu einem nicht geringen Teil sein Verdienst. Ohne sein Engagement hätte es zum Beispiel auch ein Guido Westerwelle nie gewagt, sich schließlich doch noch zu outen und später als Außenminister sogar mit seinem Gatten auf Staatsbesuch zu gehen. Und ein Jens Spahn als offen schwuler CDU-Politiker und Staatssekretär bei Finanzminister Wolfgang Schäuble? Das wäre noch vor einigen Jahren völlig undenkbar gewesen.

Auch in seinem sonstigen politischen Wirken war und ist er sehr stark (Ethik und Recht, Migration und Menschenwürde, Religionspolitik, Innen- und Rechtspolitik ganz allgemein). Beck hat sich auch "in herausragender Weise für die jüdische Gemeinschaft eingesetzt", wofür ihn der Zentralrat der Juden in Deutschland mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet hat. Zu behaupten, dass seine Bekanntheit seine politische Bedeutung "bei Weitem" übersteigen würde, ist deshalb ein nicht zu akzeptierender Vergleich.

Wer für sein gesellschaftliches Engagement Prügel bezieht (und Volker Beck hat das ja in Polen und Russland sogar körperlich erfahren!) neigt nachvollziehbar bei Kritik schon mal zur Überreaktion. Das aber als "ewigen oft selbstgerecht wirkenden Kampfmodus" zu bezeichnen, ist abwegig. Dass die Grünen in NRW ihn nun nicht mehr unbedingt im Bundestag haben wollen, ist schlimm und wirft die Frage auf, welcher Richtungswechsel sich hier womöglich anbahnt. Dass ausgerechnet die SZ hier noch hinterher treten muss, macht die Sache noch unerträglicher.

Prof. Gerhard Kongehl, Elchingen

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