Vogelhäuser:Zum Piepen

Vogelhäuser: Nach Angaben der Designer soll diese Minivilla eine "zeitgemäße Interpretation des klassischen Vogelhäuschens" sein.

Nach Angaben der Designer soll diese Minivilla eine "zeitgemäße Interpretation des klassischen Vogelhäuschens" sein.

(Foto: Umbra)

Mehrgeschossige Badelandschaften, Fachwerkhäuser, Luxusvillen: Offenbar sind die Zeiten vorbei, in denen ein einfaches Vogelhaus reichte. Eine Stilkritik.

Von Oliver Herwig

Ein Fest für Architekturfreundinnen und Minimalisten: drei Geschosse, kubisch mit großem Dachüberstand. Wohl einschaliger Sichtbeton, aus dem asymmetrisch große Fensterflächen herausgesprengt wurden. Ein wenig erinnert das "Bird Café" an den weißen Betonkubus, den die japanischen Architekten des Büros Sanaa 2006 auf der Zeche Zollverein errichteten. Tatsächlich aber schaukelt das gerade mal 21 Zentimeter hohe und 23 Zentimeter lange Häuschen vor dem eigenen Fenster, und zwei Spatzen bedienen sich aus der Futterrinne.

Die Designer Dennis Cheng und Teddy Luong wollten mit der Kunststoffvilla eine angeblich "zeitgemäße Interpretation des klassischen Vogelhäuschens" schaffen. Im Inneren eine gängige Schütte, Löcher im Boden sorgen für Entwässerung, außen ein Statement für Design-Aficionados. Zu finden ist die Vogelvilla bei einem Versand unter der Rubrik "Praktisches" im Bereich "Designermöbel".

Offenbar sind die Zeiten vorbei, in denen eine einfache Vogelkrippe reichte. Es muss schon etwas Besonderes sein. Wie dieses hier: Ein Statement aus drei ineinandergesteckten, lasergeschnittenen Aluminiumscheiben, die auf eine 150 Zentimeter hohe Edelstahlstange gesteckt werden: 199 Euro. Oder die "Bauhaus-Architektenvilla unter den Vogeltränken" - eine mehrgeschossige Badelandschaft aus Edelstahl, weiß lackiertem Aluminium und Porzellan: 159 Euro. Keine Ahnung, was Marcel Breuer, Mies van der Rohe oder Walter Gropius dazu gesagt hätten. Wahrscheinlich fänden sie es zum Piepen, dass der Name Bauhaus selbst für Vogelbehausungen taugen soll.

Die Pandemie ist eine gute Zeit für Hobby-Ornithologen

Vogelhäuschen waren noch bis vor wenigen Jahren eher einfache Dinger. Eine Mischung aus Blockhütte und Haus des Nikolaus: Satteldach mit Teerpappe und angedeuteten Schindeln, Einflugöffnungen nach allen Seiten und eine große Plattform zum Futtern. Sonnenblumenkerne rein, fertig. Heute ist das anders. Futterhäuschen sind nicht nur für Hobby-Ornithologen und begeisterte Birdwatcher zum Prestigeprojekt geworden. Oder vielleicht einfach nur: ein Markt, der sich immer weiter ausdifferenziert. Inzwischen gibt es herrschaftliche Anwesen, verspielte Schlösser, Fachwerkhäuser und minimalistische Statements.

In der Pandemie hat sich "Birdwatching", also das Beobachten von Vögeln, zu einem anerkannten Hobby entwickelt. Tausende neuer Futtersäulen, Nistkästen und Vogelhäuschen wurden aufgestellt. Seither piept es auch bei den Nachbarn. Was aber brauchen Vögel wirklich, außer einem sauberen, trockenen Platz, an dem sie den kleinen Snack zu sich nehmen, den sie in der flurbereinigten, schädlingsfreien und optimierten Umwelt immer seltener finden?

Ein Blick auf die Seite des Naturschutzbundes zeigt Futtersäulen in allen Größen. Eine Ausstattungsvariante haben sie gemein: Die transparenten Zylinder mit ihren zwei bis vier Futteröffnungen werden katzensicher aufgehängt und funktionieren als Schütten, während die Fressplätze der Vögelchen genau auf ihre Größe abgestimmt sind: Ideal für Blau-, Kohl-, Tannen-, Hauben- und Schwanzmeise sowie Stieglitz, Grünling, Feldsperling, Haussperling und Kleiber.

Manche Modelle erinnern an Raumstationen des "Star Trek"-Universums

Tauben und Rabenkrähen haben das Nachsehen und müssen sich mit dem begnügen, was ihre Kollegen so über Bord gehen lassen. Futtersäulen sind zwar reine Zweckform, mit ihren Landeplattformen erinnern manche dennoch an Raumstationen des "Star Trek"-Universums. Da werden Vögel schnell zu Shuttles und wendigen Raumfahrzeugen, die mal kurz auftanken, bevor sie sich wieder in die unendlichen Weiten aufmachen.

Da kauft man also so eine Futtersäule und füllt sie mit Körnern. Alles richtig gemacht? Nicht unbedingt. Federvieh kann ganz schön wählerisch sein. Womöglich verschmähen sie das von Vogelexperten entwickelte Vollwert-Streufutter aus Erdnüssen, Sonnenblumenkernen, gewalztem Mais, Haferflocken und Hirse, weil der Nachbar - übrigens selbst Architekt - eine ganz besondere Nussmischung anbietet. Am Ende kommt es halt doch auf die inneren Werte an.

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