Es ist leider noch schlimmer als in dem Artikel "Albtraumhaus" vom 20. Oktober dargestellt: Der Gesetzgeber erlaubte den Lebensversicherungsanbietern nicht nur 2014 eine Neuregelung der Bewertungsreserven mit negativen Folgen für die Ablaufleistung der Lebensversicherungen. Bereits 2003 beschloss die rot-grüne Bundesregierung das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung mit Wirkung zum 1. Januar 2004. Danach ist es den gesetzlichen Krankenkassen und der Pflegeversicherung erlaubt, die Auszahlung von Direktversicherungen zur Betrieblichen Altersvorsorge an die Versicherten erneut einer Verbeitragung zu unterziehen und über zehn Jahre monatlich abzukassieren (SGB V §229 Abs. 1 Satz 3). Verluste von zweistelligen Tausender-Beträgen sind dabei für den Versicherten nicht ungewöhnlich und können die Abzahlung einer Hypothekenschuld ernsthaft gefährden. Von diesem Gesetz sind nach Schätzungen sechs Millionen Altverträge betroffen.
Die Bundesregierung findet diese Praxis völlig in Ordnung. Selbst das Bundesverfassungsgericht ließ sich vor den Karren der Politik spannen, in dem es die verfassungsmäßig nicht erlaubte Rückwirkung auf Beträge auch vor dem 1. Januar 2004 als "unechte Rückwirkung" verschwiemelte und zuließ (07. April 2008 - 1 BvR 1924/07 Abs. 36). Es befand "Die Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht [...]bildet ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung" (1 BvR 1924/07 Abs. 34). Das ist die höchstrichterliche Absegnung eines massiven Rechtsbruchs durch die Politik, nämlich der in der Geschichte der Bundesrepublik einmalige Vorgang der Missachtung des rechtsstaatlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes, und ist somit ein wesentlicher Schritt in die Bananenrepublik. Dr. Arnd Rüter, Vaterstetten
Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.
Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen.