Urlaub:Erst einmal durchsetzen

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Der Europäische Gerichtshof stellt in einem Grundsatzurteil fest, dass Urlaubstage nicht deswegen verfallen, weil der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt hat. Und was passiert nun? Ein Leser zweifelt an der Umsetzbarkeit.

" Neue Regeln für Urlaub in Betrieben" und " Urlaub: Gut erholt" vom 7. November:

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg stellte in einem Grundsatzurteil fest, dass Urlaubstage nicht deswegen verfallen, weil der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt habe. Dieses für Arbeitnehmer sicher erfreuliche Urteil ist bemerkenswert, weil der EuGH feststellt, dass der Arbeitnehmer nun mal "die schwächere Partei" sei, die womöglich davon abgeschreckt sei, ihre Ansprüche (vor Gericht zumal) geltend zu machen. Das dürfte sicher auch Auswirkungen auf andere arbeitsrechtliche Prozesse haben.

Gleichzeitig wird in für die Justiz typischer Weise die Gültigkeit dieses doch als grundsätzlich klassifizierten Urteils unterminiert, da über Details das Bundesarbeitsgericht entscheiden muss.

Wolfgang Janisch hat daher unrecht: Auch der EuGH wird nicht helfen, Rechte ohne Weiteres durchzusetzen. Arbeitgeber haben mithilfe findiger Anwälte und begünstigt durch ahnungslose oder unwillige Richter und lange Verfahrensdauern auch weiterhin die Möglichkeit, durch Ausschöpfung juristischer Möglichkeiten Mitarbeiter zu zermürben, da das verbriefte Arbeitsrecht - aber nicht nur dieses - in langwierigen, teuren und damit für den einzelnen Kläger riskanten Individualverfahren einzuklagen ist.

Ich verweise beispielhaft auf einen Dax-Konzern, der über Jahre bereits nicht ohne Erfolg die Praxis pflegt, Mitarbeiter durch Versetzungen zum freiwilligen Ausstieg zu bewegen und so Personalüberhang abzubauen. Ein rechtskräftiges Urteil ist bisher nicht ergangen, da die temporären Versetzungen immer vor einem endgültigen Urteil endeten und unterschiedliche Kammern des gleichen Gerichts typischerweise abweichende Urteile sprachen.

Es wäre Aufgabe der unabhängigen Medien, stärker darauf hinzuweisen, dass die Justiz bisher nicht dazu beiträgt, in solchen elementaren Fragen wie denen der Arbeitnehmerrechte Klarheit zu schaffen - auch und gerade zum Schaden der Unternehmen, die solche Praxis verfolgen. Dazu müsste man als Journalist aber neben der formal-juristischen Brille auch mal die Sichtweise eines gewöhnlichen Bürgers einnehmen, der - fälschlicherweise - davon ausgeht, dass die Gesetze, die zum Wohle des Bürgers geschaffen wurden und werden, angewandt werden und Missachtungen durch eine unabhängige Justiz konsistent und nachvollziehbar sanktioniert werden.

Volker Schmidt, Wachtberg

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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