Finanzierungslage:Das wird teuer

Lesezeit: 4 min

Auftragsstau: Maschinenbauunternehmer leiden mehr denn je unter Materialmangel und Lieferengpässen. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Lieferengpässe und steigende Energiekosten: Die Lage im Mittelstand ist schwierig und wird durch den Ukraine-Krieg noch verschärft. Das wird auch Auswirkungen auf die Verbraucher haben.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Durch den Krieg in der Ukraine sind alle Aufschwungsprognosen verflogen. Statt Optimismus dominiert Unsicherheit quer durch alle Branchen der Weltwirtschaft. Aufgrund der Sanktionen gegen Russland verzeichnen deutsche Exporteure sowie Firmen mit Lieferanten oder Produktion am Ort Einbußen. Das Ausfuhrverbot für Güter in den Bereichen Verkehr, Telekommunikation und Energie führt besonders bei mittelständischen Firmen mit Russland-Fokus zu empfindlichen Umsatzausfällen.

Da Ausfuhren nach Russland gerade einmal zwei Prozent der deutschen Exporte ausmachen, ist der konjunkturelle Schaden daraus gering. Das Handelsvolumen zwischen Bayern und Russland lag im Vorjahr bei 9,4 Milliarden Euro, Autos und Maschinen sind die wichtigsten Exportgüter. Gerade der starke Autosektor inklusive mittelständischer Zulieferer ist stark betroffen. BMW, Mercedes und VW verzichten auf den Export ihrer Autos nach Russland und beendeten zudem ihre lokale Produktion. 43 Fertigungen zählt die deutsche Autoindustrie in Russland und sechs in der Ukraine. Im Kriegsgebiet mussten Zulieferer wie Leoni, Nexans und Kromberg & Schubert ihre Werke schließen. Lieferausfälle etwa bei Bordnetzsystemen führen zu Produktionsstopps und Kurzarbeit an mehreren deutschen Standorten von BMW, Audi und MAN. Der weitreichende Lieferstopp für den Containerverkehr in den Häfen St. Petersburg und Wladiwostok sowie für Luftfrachtrouten verstärkt die bestehenden Lieferkettenprobleme, was auch wichtige Warenströme nach und aus Asien, insbesondere China betrifft.

Die Kosten der gegen Russland verhängten Sanktionen für die deutsche Wirtschaft sind noch völlig unklar. Die Sanktionen im Zuge der Krimkrise im Jahr 2014 belasteten laut Ifo-Institut die Konjunktur mit fünf Milliarden Euro jährlich. "Im Wesentlichen hat man im Mittelstand weniger Bedenken in Bezug auf die direkten Auswirkungen der Sanktionen als vielmehr Sorge vor den indirekten. Insbesondere weiter und stärker steigende Energiepreise inklusive Gas, Öl und Kohle werden die Produktionskosten nun noch weiter verteuern", sagt Arno Fuchs, Geschäftsführer von FCF Fox Corporate Finance. Nach Schätzungen des Ifo kam es bei Energiepreisen im Februar zu einer weiteren Verteuerung um satte 22,5 Prozent. Das anhaltend hohe Preisniveau führte in der Stahlbranche bereits vor der Eskalation in der Ukraine laut Wirtschaftsvereinigung Stahl zu rund 1,7 Milliarden Euro Mehrkosten.

Als wichtigster Energie- und Rohstofflieferant Deutschlands verfügt Russland über umfangreiche Reserven an Erdgas, seltenen Erden sowie Kohle und Öl. 19,4 Milliarden Euro betrug die deutsche Öl- und Gasrechnung aus Moskau im Vorjahr. Falls Putin mit Lieferstopp reagiert oder die EU einen Gas-Handelsboykott erlässt, wären die Folgen für die Industrie fatal. Ein Aussetzen aller Rohstofflieferungen könnte Europa in die Rezession stürzen.

Im Mittelstand bleibt die Lage durch die anhaltenden Lieferengpässe bei Rohstoffen und Halbleitern sowie Preissteigerungen weiter schwierig, sagt Stefan Sauer, Experte beim Ifo-Institut an der Universität München: "Bislang sprach alles dafür, dass die Angebotsengpässe den Aufschwung zwar bremsen, aber nicht verhindern. Der Krieg in der Ukraine hat diese Aussicht verdüstert und belastet die Konjunktur auf mehrfache Weise", sagt Sauer. Zuletzt senkte das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut die Wachstumsprognose für 2022 von 3,5 auf zwei Prozent. Betriebe verzeichnen sinkende Margen quer durch alle Sektoren. "Unternehmen, die vor einem oder zwei Jahren vollkommen profitabel waren, stehen heute möglicherweise vor ernsthaften Problemen. Es kamen die massive Erhöhung der Rohstoffpreise, die Verdoppelung der Energiepreise und höhere Logistikkosten, und schon dreht die Ebitda-Marge von plus zehn Prozent auf minus zehn Prozent", sagt Fuchs. Viele Unternehmen erhöhen daher die Preise oder versuchen es zumindest. "Gerade die mittelständischen Unternehmen haben Bedenken, ob diese Kosten an ihre Kunden oder Endverbraucher so weitergegeben werden können oder ob sie diese am Ende selbst tragen müssen", so Fuchs.

Dass viele Reedereien die Häfen St. Petersburg und Wladiwostok mit ihren Containerschiffen nicht mehr ansteuern, ist ein Problem für die Warenströme zwischen Deutschland und China. (Foto: Jens Büttner/dpa)

In Zeiten erhöhter Unsicherheit hilft Flexibilität. Experten raten zur verstärkten Nutzung von Bankprodukten wie Kontokorrent- und Betriebsmittellinien, die Unternehmen jederzeit wieder zurückzahlen können. Factoring oder Warenlagerfinanzierungen können wiederum helfen, Rohstoffe, Teile und Energie in ausreichender Menge einzukaufen. Angesichts multipler Risikofaktoren sollten sich Betriebe auf eine längere Belastungsphase einstellen. "Die größte Gefahr neben den steigenden Rohstoffpreisen sehen wir für die nächsten Monate beim Zinsaufwand. Die Zinsen haben schon gedreht, im drei- bis fünfjährigen Bereich steigen die fixen Zinsen, und die Banken ziehen ihre Margen nach oben", sagt Finanzierungsexperte Fuchs. Firmen, die in der Vergangenheit Zinssätzen von ein bis 1,5 Prozent gewohnt waren, würden sich künftig auf vielleicht 2,5 Prozent einstellen müssen. Laut Analysehaus Barkow Consulting liegt der Durchschnittszins von Firmenkrediten mit fünf Jahren Laufzeit aktuell bei 2,07 Prozent und damit auf einem Sechsjahreshoch. Ratsam ist eine Vorbereitung auf diese steigenden Kapitalkosten und eine Neukalkulation der gesamten Finanzierungsstruktur.

Ebenso gilt es, die rollierende Finanz- und Investitionsplanung auf die veränderten Bedingungen anzupassen. "Die Unternehmen, die auf Kreditfinanzierung angewiesen sind und jetzt ihre Zinsen nicht langfristig absichern, agieren fahrlässig. Wer etwa eine Anschlussfinanzierung in zwei Jahren braucht, sollte die Kreditverhandlungen jetzt schon vorziehen, um sich die aktuell noch vergleichsweise günstigen Zinsen zu sichern", sagt Fuchs. Alles andere wäre ein Spiel mit dem Feuer, so der Münchner Berater.

Zinssicherungsgeschäfte gelten als gute Option

In Zeiten wie diesen sind Zinssicherungsgeschäfte zum Beispiel in Form von Swaps (Zinstausch) oder Caps (Zinsdeckel) eine gute Option. Bei Zinsswaps, die beliebtesten Absicherungen bei Konzernen, tauscht die Firma variable Zinsströme mit der Bank gegen fixe Sätze. Das bringt wichtige Planungssicherheit, an fallenden Zinsen profitiert man aber nicht. Mittels Zins-Caps sichert sich die Finanzabteilung hingegen nach oben ab, falls der tatsächliche Satz einen gewissen Schwellenwert übersteigt. Generell gilt, je steiler das Zinsplus, desto teurer ist der Verzicht auf variable Finanzierungen.

Noch hält die EZB den Leitzins auf Rekordtief (null Prozent) sowie den Euribor bei minus 0,5 Prozent, doch der Druck auf die Notenbank steigt. Denn der Kostensprung im Energiebereich wirkt wiederum auf das allgemeine Preisniveau. "Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und den nach sich ziehenden Sanktionen erhöht sich auch die Inflation weiter, was unter anderem die Kaufkraft vieler Haushalte reduziert", sagt Ifo-Experte Sauer. Im Euro-Raum lag die Teuerung im Februar mit 5,8 Prozent (Deutschland 5,1 Prozent) erneut auf Rekordniveau. Ökonomen warnen bereits vor dem gefährlichen Mix aus schwachem Wachstum und Inflation und erinnern an den Konjunkturabsturz als Folge der Ölkrise im Jahr 1973. Die sogenannte Stagnation erhöht den Druck auf die EZB und macht die Zinswende wahrscheinlicher. Diese würde wiederum einen möglichen Aufschwung dämpfen. Etwas Hoffnung macht, dass die Auftragsbestände deutscher Betriebe nach wie vor auf Rekordniveau sind. Kann der Engpass an Vorprodukten behoben werden, könnte dieser Umstand negative Effekte dämpfen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: