UN Global Compact:Panzerrohre unter blauer Flagge

UN, WTO und EU: Der Weg zum Traumjob auf internationalem Parkett

Immer mehr Unternehmen schließen sich der UN-Initiative an. Damit lehnen sie unter anderem Kinderarbeit und Diskriminierung ab, beschleunigen die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien und unterstützen den Schutz der Menschenrechte.

(Foto: Oliver Berg/dpa-tmn)

Selbst Rüstungsfirmen dürfen an der UN-Initiative "Global Compact" teilnehmen. Kritiker sehen darin ein Bluewashing.

Von Christine Demmer

Wenn sich deutsche Unternehmen dem UN Global Compact anschließen, der weltweit größten Initiative für nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung, dann tun sie das mit reichlich Pathos im Unterton. "Wir sind stolz darauf, Teil dieser globalen Initiative zu sein und uns ihren Zielen zu verpflichten", sagt etwa Britta Giesen, Chefin des Vakuumpumpenherstellers Pfeiffer Vacuum Technology.

Giesen verweist auf die Firmenphilosophie des Traditionsunternehmens: "Verantwortungsvolles Handeln, die Einhaltung von Regeln und Gesetzen, Ressourcenschonung sowie Nachhaltigkeit sind fundamentale Bestandteile unserer Unternehmenskultur, nach denen wir unsere Geschäftstätigkeit bereits seit Langem ausrichten." Das klingt in vielen Firmen ganz ähnlich.

Der UN Global Compact beruht auf zehn Prinzipien, die sich auf die Bereiche Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und universelle Korruptionsbekämpfung beziehen. Teilnehmende Unternehmen lehnen unter anderem Kinderarbeit und Diskriminierung ab, beschleunigen die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien und unterstützen den Schutz der Menschenrechte. Darüber hinaus legen sie sich darauf fest, die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu verfolgen. Diese hat die Organisation vor sechs Jahren im Rahmen der Agenda 2030 vereinbart.

Vom DAX-Konzern bis zum kleinen mittelständischen Betrieb ist alles vertreten

Unternehmen, die sich wie Pfeiffer Vacuum Technology oder das Biotechnologieunternehmen "Brain Biotech" in jüngster Zeit dem Pakt angeschlossen haben, liegen im Trend. Zuletzt ist die Teilnehmerzahl im Deutschen Global Compact Netzwerk (DGCN) deutlich gestiegen: Bei der Gründung im Jahr 2000 startete das Netzwerk mit gerade einmal sieben Aktivisten, bis Ende 2019 hatten 524 deutsche Unternehmen und Organisationen den Pakt unterzeichnet, um die Globalisierung sozialer und ökologischer zu gestalten.

"Bemerkenswert ist, dass die Teilnahme im deutschen Netzwerk seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie um mehr als 20 Prozent gestiegen ist", sagte Marcel Engel, Leiter der Geschäftsstelle des DGCN, am Ende des Jubiläumsjahres 2020. Jetzt, bis zu diesem Dezember, liegt das Wachstum sogar schon bei mehr als 24 Prozent. Aktuell umfasst das Netzwerk mehr als 780 Teilnehmer - vom DAX-Konzern bis zum kleinen mittelständischen Betrieb ist alles vertreten. Weltweit haben sich inzwischen mehr als 19 000 Unternehmen und Organisationen der Initiative für gutes Unternehmenshandeln angeschlossen.

Jüngst hinzugekommen ist Jenoptik. Der Technologiekonzern hat sich Anfang November 2021 den nachhaltigen Prinzipien verpflichtet. "Dauerhaft profitables Wachstum kann nur im Einklang mit verantwortungsvollem Verhalten gegenüber Umwelt und Gesellschaft gelingen", sagt Stefan Traeger, Vorstandsvorsitzender der Jenoptik.

Doch nicht jeder nimmt den Unternehmen ab, dass sie sich per Federstrich vom Saulus zum Paulus wandeln. Kritische Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International oder Greenpeace unterstellen den Unternehmen imageschmeichelndes Blendwerk, das sogenannte Bluewashing.

Der Hauptkritikpunkt: Verstöße werden nicht geahndet

Wie beim Greenwashing, bei dem Unternehmen ihr ökologisches Engagement öffentlichkeitswirksam ins Schaufenster stellen, wird beim Bluewashing versucht, das soziale Engagement hervorzuheben. Von "Blauwaschen" spricht man, weil Blau die offizielle Farbe der Vereinten Nationen ist. Der Hauptkritikpunkt: Verstöße gegen die selbst auferlegten Pflichten werden nicht geahndet.

Die Mitgliedschaft beim UN Global Compact verlangt nur die Zahlung eines Jahresbeitrags, der aber erst ab Umsätzen mit mehr als 50 Millionen US-Dollar fällig wird, sowie die regelmäßige Vorlage eines Fortschrittsberichts. Diese Berichte strotzen zwar von hehren Absichtserklärungen, aber sie zeigen auch das strukturelle Problem: Während Unternehmen mit messbaren Größen wie Umsatz und Gewinn arbeiten, sind die Nachhaltigkeitsziele wachsweich formuliert. Kaum ein Unternehmen kann seine Erfolge quantifizieren. Stolz verkündet wird allenfalls eine prozentuale Verringerung des CO2-Ausstoßes.

Der im Sommer 2020 veröffentlichte UN-Bericht "Uniting Business in the Decade of Action" dokumentiert die überschaubaren Fortschritte. Lise Kingo, Geschäftsführerin von UN Global Compact, fordert daher, politische Verpflichtungen "in Maßnahmen umzusetzen, die zu tatsächlichen und greifbaren Leistungsverbesserungen führen können."

Kritiker bemängeln außerdem, dass es bei der Initiative keine Rolle spiele, womit die teilnehmenden Unternehmen ihr Geld verdienen. So kommt es, dass auch der Rüstungskonzern Rheinmetall, der unter anderem das Hauptwaffensystem und Munition für den Kampfpanzer Leopard 2 herstellt, seit Mai 2021 auf das blaue Logo des UN Global Compact verweisen darf. "Schon heute engagieren wir uns im Rahmen unserer Einflussmöglichkeiten in den wichtigen Feldern Menschenrechte, Arbeitsnormen und Gesundheitsschutz sowie Umwelt und Anti-Korruption", erklärte Armin Papperger, Vorstandsvorsitzender von Rheinmetall, anlässlich des Beitritts zu dem Netzwerk.

Was die Friedens- und Umweltschutzorganisation Greenpeace davon hält, machte sie anlässlich der Hauptversammlung von Rheinmetall mit einer Demonstration vor dem Bundeskanzleramt deutlich. "Das Blutvergießen in Krisen- und Kriegsgebieten beginnt hier in Deutschland, nämlich bei Rüstungskonzernen wie Rheinmetall, die unter Billigung der Bundesregierung Waffen in die Krisengebiete der Welt exportieren", sagt Greenpeace- Abrüstungsexperte Alexander Lurz. Tatsächlich exportiert die Bundesrepublik jedes Jahr Waffen für Milliarden Euro. Aber auch das passt unter das große Feigenblatt der nachhaltigen und verantwortlichen Unternehmensführung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: