Süddeutsche Zeitung

Trennung:Das Wechselmodell für die Kinder ist umstritten

Für die einen ist es die Lösung aller Probleme, wenn getrennte Paare sich abwechselnd und gleichberechtigt um ihre Kinder kümmern können. Anderen gilt das Hin und Her als größter Stress für den Nachwuchs.

Zu "Es bahnt sich ein Aufstand der Väter an" vom 31. Mai 2019:

Geschlechterkampf beenden

Jetzt habe ich wieder nicht verstanden, was am Alleinerziehenden-Status so attraktiv ist, das sich die Vorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) mit Händen und Füßen gegen gemeinsame elterliche Betreuung auch nach der Trennung sträubt, also gegen das Wechselmodell als Leitbild. In der Begegnung mit Hunderten von Trennungskindern habe ich als Pädagoge erfahren, dass es den Alleinerzogenen unter ihnen auffällig suboptimal geht. Das belegen zahllose Studien aus dem Ausland. Aber in Deutschland kümmern wir uns lieber um Geschlechterkampf und Elternstreit. Es lässt sich ja auch gut daran verdienen.

Klemens Gehlmann, Münster

Politik und Recht nicht zeitgemäß

Die internationale Forschung belegt die gleichwertig wichtige Funktion von Mutter und Vater für die Kinder. Umliegende Nationen berücksichtigen dies in einem modernen Familienrecht, der VAMV stemmt sich im SZ-Interview vehement dagegen. Er sieht keinen Änderungsbedarf in unserem veralteten Familienrecht, das den Regelfall des Alleinerziehens bei der Mutter aus dem vergangenen Jahrhundert zur Grundlage hat. Der VAMV erkennt keine Geltung der Artikel 3 und 6 des Grundgesetzes für Väter im gleichen Sinne wie für Mütter. Der VAMV versteht die Funktion eines neuen Leitbildes für gemeinsame Elternverantwortung nicht. Der VAMV hält gleichwertige Erziehung, wo dies nicht schon vor Trennung bestand, für eine "Zumutung für Kinder". Genau wie der VAMV verhält sich auch die Politik. Aus diesem Grund wählen Väter zunehmend keine Parteien mehr, die sich einem modernen, fairen und gerechten Familienbild auch für Trennungseltern verweigern.

Johannes Zink, Elterninitiative"Gemeinsam Erziehen", Norderstedt

Strukturelle Gewalt gegen Väter

Der "Aufstand der Väter", den Frau Sünderhauf in dem Interview prognostiziert, findet bereits seit Langem statt - und er kostet den Steuerzahler jedes Jahr Milliarden. Tragischer als die wirtschaftlichen Folgen sind jedoch die psychischen, die sozialen, generationenübergreifend; das Leid und Trauma zahlreicher Väter und auch Mütter, die an Ausgrenzung und Entfremdung zugrunde gehen, die Kinder, die irreversibel und mit lebenslangen Folgen ein Elternteil "verlieren". Diese Ungenauigkeit in der Überschrift tut allerdings der folgenden Klarheit der Argumentation von Frau Sünderhauf keinen Abbruch, mit der sie die Ansichten des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter seziert, die die bayerische Vertreterin Frau Heine unter dem Etikett "Gegnerin des Wechselmodells" hier zum Besten gibt. Sie nämlich meint, auch im Jahr 2019 dürfe sich ein Elternteil durchaus "querstellen" (meint: dem anderen Elternteil das Kind entziehen), wenn "der Vater (!) psychisch krank, drogensüchtig oder gewalttätig" sei. Es entlarvt sich hierbei, worum es geht: nicht um Gleichheit der Eltern und Kindeswohl, sondern schlicht darum, Väter und Männer weiter als Elternteil zu deklassieren: potenziell gefährlich und triebgesteuert, bedrohlich und bei Trennung auf alle Fälle ein "Störfaktor", vor dem die Mutter ihre Ruhe haben will. Müttern sind in dieser Logik Motive wie "Macht und Geld" wesensfremd. Wer so etwas noch propagiert, entlarvt sich selbst.

Mit genau diesem ideologisch-diffusen Geschwurbel wurde ich 2003 aus dem Leben meiner damals drei Monate alten Tochter entfernt. Erst 2010 nach einem Richterinnenwechsel wurde endlich "begleiteter Umgang" durchgesetzt. Obwohl infolge der Bindungsaufbau zwischen meiner Tochter und mir zwei Jahre lang gut gelungen ist, wurde 2012 erneut der Kontakt durch die Mutter gekappt, der sogenannte Umgangsbeschluss auf Kontakte jeden Freitag folgenlos missachtet. Im nächsten Schritt ist sie, eine Volljuristin, mit meinem Kind, das ich seit 2012 nicht mehr gesehen habe, untergetaucht, unbehelligt und folgenlos!

Gegen dieses "Querstellen" von Müttern, wie Frau Heine es nennt, gegen persönlich motivierten, gezielten Umgangsboykott und verfassungswidrige Ausgrenzung von Vätern bieten deutsche Gerichte nach wie vor keine Hilfe. Diese strukturelle Gewalt gegen Väter unter dem Etikett "Kindeswohl" muss endlich beendet werden - nicht nur, aber auch mittels Wechselmodell.

Martin Deeg, Stuttgart

Alle Beteiligten müssen wollen

Das Wechselmodell kann nur gelingen, wenn alle drei Parteien es wirklich wollen. Nicht, einer bestellt beim Gericht, die anderen beiden Parteien haben zu gehorchen. Die Vorzüge des Wechselmodelles für einen Elternteil liegen auf der Hand: Kein Kindesunterhalt mehr und die Genugtuung, es der Alten so richtig gezeigt zu haben. Die beste Lösung für das Kind ist es sicher nicht, wie sich zum Beispiel ein betroffenes Mädchen im Thema der Woche der SZ vom14./15.11.2015 äußert: In der Theorie finde sie das Wechselmodell "super", in der Praxis sei sie oft innerlich zerrissen. Ein fürsorglicher Vater wird das Wechselmodell nicht verlangen, eine gute Mutter wird eine solche Forderung vehement zurückweisen.

Frau Sünderhauf-Kravets, von Beruf Juristin und nicht Pädagogin, ist die gut bezahlte Fürsprecherin der Väterrechtler. Eine 1000-Seiten-Kladde zum Thema Wechselmodell hat sie in die Welt gesetzt. Sie tingelt auf Veranstaltungen der Maskulinisten durch Deutschland, um ihnen das zu erzählen, was sie gerne hören wollen. Auch in ihren Äußerungen im Interview geht es ausschließlich um die Befindlichkeiten der Väter.

Karoline Ruhdorfer, Germering

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Quelle:
SZ vom 05.06.2019
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