Transparenz-Blog:Wie geht die SZ mit Provokationen um?

Claudia Henzler über den journalistischen Umgang herabwürdigender Aussagen.

Wie geht die SZ mit rassistischen und provokanten Begriffen um?

In einem Facebook-Post über den früheren Profifußballer Dennis Aogo hat Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer ein Wort benutzt, das viele schockiert hat. Die SZ hat sich in der Berichterstattung über den Vorfall dagegen entschieden, es wiederzugeben. Darüber haben sich einige Leser geärgert.

Das Wort setzt sich aus einem Begriff zusammen, der Schwarze rassistisch beleidigt, und einem umgangssprachlichen Synonym für das männliche Geschlechtsteil. Warum wurde es nur umschrieben, warum redet die SZ also ,,drumrum", wie Leser meinten? Auch in der SZ-Redaktion sind manche Kollegen der Ansicht, das Wort hätte in diesem Fall zitiert werden müssen. Andere lehnen das ab. Die meisten anderen Redaktionen klassischer Medien haben es ebenfalls nicht genannt.

Es ist immer eine schwierige Abwägung zwischen dem Wunsch, Leserinnen und Leser optimal zu informieren, und der Frage, ob man rassistische und vulgäre Begriffe weiterverbreitet. Dazu gibt es in der Redaktion kein Nachschlagewerk. Jeder Einzelfall muss für sich betrachtet und diskutiert werden. In der Causa Palmer sprachen mehr Gründe dafür, es nicht abzudrucken.

Der erste Teil des Worts wurde in Deutschland lange selbstverständlich benutzt, wird heute aber in der Regel mit dem Begriff "N-Wort" beschrieben. Sprache entwickelt sich nun mal weiter, und eine gesellschaftliche Mehrheit hat die Verabredung getroffen, das Wort nicht mehr zu verwenden, weil es eine zum Glück überholte, koloniale Sichtweise weiterträgt, in der eine Gruppe Menschen als minderwertig galt und unterdrückt wurde. Wer mit diesem Wort gemeint ist - oder sich gemeint fühlt, empfindet es als entmenschlichend und beleidigend. Gilt das schon für das N-Wort alleine, dann umso mehr für den kompletten Begriff, den Palmer verwendet hat. Er ist herabwürdigend.

Hinzu kommt, dass Palmer das Wort mit Dennis Aogo verknüpft hat. Anders als von Palmer anfangs behauptet, gibt es keinerlei Beleg dafür, dass Aogo es selbst benutzt hat. Im Internet ist sein Name nun aber auf ewig damit verbunden. Noch größere Vorsicht ist geboten, weil der Kommentar eines anonymen Facebook-Nutzers, aus dem Palmer das Wort übernommen hat, Aogo etwas unterstellt. Zur Verdeutlichung ein fiktives Beispiel: Wenn jemand behaupten würde, dass ein Prominenter seine Katze regelmäßig rosa anmalt, kann eine Zeitung das nicht einfach abschreiben. Sie muss auch bei einer Verdachtsberichterstattung überprüfen, ob die Vorwürfe glaubwürdig sind.

Eine Rolle spielt auch, dass das Wort nicht von einem Staatschef benutzt wurde, sondern von einem Lokalpolitiker, der es darauf anlegt, mit Tabubrüchen Aufmerksamkeit zu erzielen.

Im Transparenz-Blog geben wir Einblick ins Innenleben der SZ und erklären unsere journalistische Arbeit. Alle Beiträge der Reihe finden sich unter sz.de/transparenz.

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