Süddeutsche Zeitung

Transparenz-Blog:Strikte Trennung

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Eine Anzeige, die die Grünen als Verbotspartei bezeichnet, empört viele Leserinnen und Leser. Chefredakteurin Judith Wittwer erklärt, warum die Redaktion hier nicht eingreift.

Was bedeutet die Trennung zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung in der Praxis?

Vom ehemaligen US-Präsidenten Harry S. Truman stammt der Ratschlag: "If you can't stand the heat, get out of the kitchen." Wer die Hitze nicht erträgt, sollte die Küche verlassen. Politik ist eine heiße Angelegenheit. Ein schlampiger Lebenslauf reicht aus, um sich die Finger zu verbrennen.

Annalena Baerbock werfen ihre Kritiker vor, sich im Kampf ums Kanzleramt toller zu machen, als sie ist. Zum Auftakt des Grünen-Parteitags hat sich nun auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) etwas einfallen lassen: Sie zeigt Baerbock in einer groß angelegten Anti-Grünen-Kampagne lächelnd mit Verbotstafeln in den Händen.

Das Kalkül der INSM-Provokateure ging auf: Hunderte Menschen empörten sich auf Facebook und Twitter über die Baerbock-Attacke und verbreiteten so die Werbebotschaft weiter. Bei der Süddeutschen Zeitung meldeten sich Dutzende irritierte Leserinnen und Leser und baten darum, die Anzeige zumindest auf SZ.de zu entfernen. Diesem Wunsch kann die Redaktion nicht entsprechen. Die Süddeutsche Zeitung und andere große deutsche Medienhäuser haben die Politwerbung am Freitag gedruckt und auf ihren Online-Plattformen veröffentlicht. Die Chefredaktion achtet auf eine Unterscheidung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Die klare Trennung zwischen Redaktion und Verlag gehört zu den grundlegenden Säulen der Publizistik und ist nicht nur im deutschen Pressekodex, sondern auch im Redaktionsstatut der SZ verankert. Journalisten und Anzeigenverkäufer arbeiten eigenverantwortlich. Die Redaktion nimmt keinen inhaltlichen Einfluss auf Werbung. Der Verlag umgekehrt respektiert die Unabhängigkeit der Zeitungsmacher.

Inserenten dürfen ihre Meinung frei äußern, sofern sie nicht gegen gesetzliche Strafnormen verstoßen, zum Beispiel wahrheitswidrige Tatsachen behaupten, die die Grenze zur Schmähkritik überschreiten. Auch rassistische Inhalte würden nie gedruckt werden. Politische Anzeigen werden bei der SZ von der Rechtsabteilung geprüft und bei Unbedenklichkeit freigegeben. Zentral ist, dass die Anzeigen für die Leserinnen und Leser klar als Werbung gekennzeichnet sind und sich in Aufmachung und Schrift vom Rest der Zeitung unterscheiden.

Dass zuweilen auf den Mann oder auf die Frau gezielt wird, müssen Politiker und andere Personen des öffentlichen Interesses hinnehmen. Annalena Baerbock hat längst verstanden, dass Politik keine Wohlfühloase ist. Die Grünen-Chefin hält die Hitze aus.

Im Transparenz-Blog geben wir Einblick ins Innenleben der SZ und erklären unsere journalistische Arbeit. Alle Beiträge der Reihe finden Sie unter sz.de/transparenz.

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Quelle:
SZ vom 12.06.2021
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