Tierwohl:Ein quälendes Geschäftsmodell

Landwirte seien in der industrialisierten Fleischindustrie Täter und Opfer zugleich, schreibt ein Leser. Ein Tierarzt bedauert, dass sein Berufstand nicht aktiv gegen die Zustände vorgeht.

Zu "Sauwohl" vom 6./7. Juni:

Tierärzte dulden Zustände

Es ist sehr bedauerlich, dass die Politik wieder einmal bei der Nutztierhaltung einschreiten muss, statt dass mein tierärztlicher Berufsstand die Initiative ergreift. Stattdessen haben der die Schweineställe - gilt übrigens allgemein für Nutztierhaltung - betreuende Kollege und die Tierärzteschaft diese Zustände seit Jahrzehnten toleriert. "Erst das Fressen, dann die Moral", so heißt es doch! Wenn kein Tierarzt mitmachen und die berufsständischen Organe ihn unterstützen würden, wäre das Problem schnell erledigt, denn ohne tierärztliche "Betreuung" läuft gar nichts!

Dr. med. vet. Rolf Gramm, Braunschweig

Der Name macht's

In dem "Sauwohl"- Kommentar zur tierquälerischen Käfighaltung von Sauen adelt die SZ die Schweineproduzenten mit der Bezeichnung "Bauern". Das ist wie mit den Ackergiften, die sich lange hinter dem von der Industrie ersonnenen Euphemismus "Pflanzenschutzmittel" verstecken durften. Deutschland ist drittgrößter Schweineproduzent der Welt. Das hat nichts mit Versorgungssicherheit und bäuerlicher Landwirtschaft zu tun. Aber viel mit Tierquälerei, Landschafts- und Grundwasserschädigung. Die renditeoptimierte Tiernutzung ist schon zu lange erlaubt bei uns.

Jörg Janssen, Neunkirchen

Grenzkontrollen verschärfen Not

Ich mache die Autoren aufmerksam auf das unendliche Leid der Schlachttiere, die in Corona-Zeiten, wie sonst auch, durch Europa geschippert werden. Diese Tiertransporter stehen durch die aufwendigen Grenzkontrollen innerhalb der EU und besonders auch in Drittländern teilweise 60 Stunden in Grenzkontrollen, ohne jegliche Versorgung der Tiere, die dicht gedrängt in diesen Transportern "vegetieren".

Es wird über die unerträglichen Arbeitsbedingungen in deutschen Schlachtbetrieben berichtet, im reichsten Land der EU. Hier werden Osteuropäer gezwungen, im Akkord Tiere zu schlachten, und können sich glücklich schätzen, wenn sie überhaupt "vertragsgemäß" ihren Lohn erhalten, eingepfercht in unwürdige Unterkünfte. Hier werden "europäische Werte" mit Füßen getreten, was Menschenwürde und Tierschutz anbelangt. Ich appelliere an die Medien, mit Tierschutzorganisationen diese Missstände an die Öffentlichkeit zu bringen.

Mieke Martini, Hebertshausen

Landwirte sind Opfer und Täter

Das Coronavirus wirft ein Schlaglicht auf die Arbeitsbedingungen in den deutschen Schlachthöfen - und belegt einmal mehr, dass das Geschäftsmodell der Fleischindustrie auf dem Prinzip der Ausbeutung basiert. Dies beschränkt sich nicht auf die Schlachthöfe. Auch die Landwirte, in deren Mastbetrieben die Fleischerzeugung stattfindet, haben sich dem Prinzip der Ausbeutung unterworfen. Die Landwirte sind dabei sowohl Opfer als auch Täter.

Die Landwirte und ihre Familien werden ausgebeutet, denn die Fleischindustrie hat die Bauernhöfe zu Zulieferbetrieben degradiert, die just in time für permanenten Nachschub an Schlachttieren zu sorgen haben. Der Kostendruck, der von der Fleischindustrie ausgeübt wird, führt auf den Höfen dazu, dass gemäß dem Mantra vom "Wachsen oder Weichen" die Zahl der Tiere und damit die Arbeitsbelastung der Landwirte kontinuierlich ansteigen.

Die Landwirte sind aber auch Täter, denn sie beuten Schlachttiere und Umwelt aus. Die Haltung der Tiere auf engstem Raum, in Kastenständen und auf Spaltenböden sind Auswüchse eines Optimierungswahns auf den Bauernhöfen. Im Stall ist es der Fleischzuwachs, den es zu maximieren gilt. Auf den Feldern, wo das Tierfutter erzeugt wird, sind es die Böden, denen durch den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden Maximalerträge abgerungen werden. Die artungemäße Haltung der Tiere in den Ställen und das Artensterben in der Feldflur sind zwangsläufige Folgen einer auf maximalen Ertrag getrimmten Landwirtschaft. Und welche Position vertritt der Bauernverband (DBV) als berufsständische Vertretung der Landwirte? Der DBV plädierte bis zuletzt für die Beibehaltung des Systems der Werkverträge in den Schlachthöfen.

Roland Sommer, Diedorf

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