Süddeutsche Zeitung

Tierwohl:Der Wildnis entrissen

In dänischen Zuchtfarmen wurden Millionen von Nerzen getötet, nachdem bei einigen Tieren dort eine Variante des Covid-Virus aufgetaucht war. Das wirft bei Lesern grundsätzliche Fragen auf.

Zu "Der Fall der Felle" zur Keulung von Nerzen vom 31. Dezember/1. Januar:

Wer wusste schon, dass in Dänemark über dreimal mehr Nerze leben (und jährlich sterben) als Menschen? So wird auch kaum jemand ahnen, dass in Deutschland jedes Jahr fast zehnmal so viele Nutztiere getötet werden, wie wir Einwohner haben. Unter den rund 770 Millionen Tieren sind 620 Millionen Masthähnchen, gefolgt von den 55 Millionen Schweinen. Ihr kurzes Leben fristen sie alle, auch die putzigen Nerze, in viel zu engen Käfigen, eines Lebewesens vollkommen unwürdig. Glaubt ernsthaft jemand, dass sie alle in den Schlachtfabriken sauber und schmerzfrei getötet werden?

Die Praxis können alle Konsumentinnen und Konsumenten auf Youtube in der australischen Dokumentation "Dominion" kennenlernen. Auf dem Auge Tierwohl müssen Politik und Gesellschaft wohl blind sein.

Johannes Zink, Norderstedt

Die Ursache der Corona-Pandemie, nämlich die sogenannte Zoonose, mit der mutierte Tierseuchen-Erreger von Tieren auf den Menschen übertragen werden, ist ein globales Problem. Der weltweite Wildtierhandel bringt unterschiedlichste Wildtierarten auf engstem Raum zusammen, und durch die Jagd, die Haltung in Käfigen und den Handel auf Märkten erfolgt zwangsläufig der Körperkontakt mit Menschen. Die Tiere werden ihrem natürlichen Lebensraum, der Wildnis, entrissen, sie leiden, sind verletzt, stehen unter starkem Stress, ihr Immunsystem ist geschwächt. Das ist nach Erkenntnissen der Wissenschaft eine perfekte Voraussetzung für die Entstehung einer Pandemie, da die Viren leicht in die geschwächten Körper der Tiere eindringen können. Auch die Zucht ist mit erheblicher Tierquälerei verbunden.

In Dänemark wurden mehr als zehn Millionen Nerze getötet, da ein sogenanntes Cluster-5-Virus von den Tieren auf Menschen übertragen worden war. Zuvor mussten die Tiere in Nerzfarmen ihr Dasein in Käfigen fristen, um Zuchtzwecken zu dienen. Das Einsperren bedeutet eine unerträgliche Quälerei für Tiere, die ihren Lebensraum sonst in der freien Natur haben. Handel und Zucht von Wildtieren ist auf der ganzen Welt verbreitet, weil es ein einträgliches Geschäft ist. Exotische Tiere wie zum Beispiel Flughunde, Totenkopfäffchen, Pfeilgiftfrösche oder Pangoline, Chamäleons und Insekten, Spinnen und Schlangen werden gejagt, importiert und auf Tierbörsen gehandelt. Auch in Deutschland ist die Nachfrage nach exotischen Tieren so stark gestiegen, dass der legale Wildtierhandel einen Schwarzmarkt nach sich zieht, geschützte und seltene Tiere erzielen besonders hohe Preise.

Nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie auf einem Markt in Wuhan hat die chinesische Regierung den Handel von Wildtieren zu Nahrungszwecken zwar verboten. Artenschützer befürchten allerdings, dass dieses Verbot nicht konsequent genug ist. Wilde Tiere dürfen weder als Lebensmittel benutzt noch für Kleidung oder Modezwecke gezüchtet oder als exotische Haustiere missbraucht werden.

Kurz nach Ausbruch der Pandemie hatten sich 76 internationale Organisationen und Wissenschaftler für ein globales Wildtierhandelsverbot eingesetzt. Viele Tier- und Artenschutz-Organisationen haben sich angeschlossen. Jetzt ist die Politik gefordert, dies umzusetzen. Nur ein Handels- und Haltungsverbot für Wildtiere kann langfristig helfen, Pandemien zu verhindern, und es hilft auch gegen den Klimawandel.

Gabriele Tautz, Rehburg-Loccum

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SZ vom 19.01.2021
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