Thema der Woche:Voll Kacke!

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: Nadine Redlich)

Kann man aus Scheiße Gold machen? Am Institut für Gemüse- und Zierpflanzenanbau probieren Forschende genau das: Sie wollen Äcker mit menschlichen Ausscheidungen düngen. Ein Besuch.

Von Georg Cadeggianini

Beginnen wir mit einem Blumenwettbewerb. Und ja, natürlich wird es hier gleich auch um Kackapipipups gehen, um eine Klorevolution, um nachhaltiges Kacken, nur Geduld. Erst die Blumen. Es sind sechs Töpfe Studentenblumen, mit leuchtend orangefarbenen Blüten, die hier im Gewächshaus in Großbeeren wachsen. Sie stehen im Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau, 20 Kilometer vor Berlin. Alle haben die gleiche Erde bekommen. Eine – fast blattlos, kümmerlich, die Blüte nur eine Handbreit über dem Boden – steht in sogenannter Nullerde, ganz ohne Nährstoffe, die anderen wurden unterschiedlich gedüngt. Welche wächst am besten?

Ariane Krause ist Wissenschaftlerin – und gerade auch Blumenwettbewerbsleiterin. Sie hat gegossen und gedüngt, gemessen und wiederholt. In jedem Topf steckt ein handbeschriebener Marker. „A/H-3“ ist ihr Gewinner: „Für Pflanze und Boden am besten.“ Das Kürzel steht für Aurin/Humus, dritte Wiederholung: Urin und Kot gemischt. Und ja, wir sprechen von Menschenpipikacka. Und nein, nichts davon riecht hier nach igitt und eklig und Bahnhofsklo.

Die Frage nach dem Dünger ist eine wichtige Frage für unsere Zukunft. Derzeit kommt etwa genauso viel Gülle wie Kunstdünger auf unsere Felder. Um Letzteren herzustellen, wird enorm viel Energie aufgewendet. Das ist teuer – und schlecht für die Umwelt. „Andere scheißen aufs Klima“, sagt Ariane Krause. „Wir scheißen fürs Klima.“

Es geht um einen Kreislauf. „Einen Kreislauf, den wir jeden Tag aufs Neue auf der Toilette unterbrechen.“ Der Kreislauf geht so: Pflanzen nehmen Nährstoffe aus dem Boden auf und speichern sie. Einen Teil dieser Nährstoffe verwerten wir Menschen, wenn wir sie essen, einen anderen Teil scheiden wir wieder aus. Und hier, auf der Toilette, wird der Kreislauf unterbrochen. Das Problem: einmal in der Kanalisation wird das eigentlich wertvolle Nährstoffpaket mit Reifenabrieb vom Straßenabwasser, giftigen Schwermetallen und vielem mehr gemischt und damit quasi unverwertbar.

Sollen wir einfach alle in Garten und Parks machen? Das geht natürlich nicht. In Urin und Kot sind zwar jede Menge wertvolle Nährstoffe enthalten, aber zum Beispiel eben auch: Keime, Hormone und Reste von Medikamenten. Um die loszuwerden, haben sich Forschende überall auf der Welt Kompostmaschinen ausgedacht. Fast alle beginnen damit, Urin und Kot getrennt einzusammeln. Das klappt prima auf Festivals oder im Camper – längst gibt es Kloschüsseln mit eigener Urinfalle. In Häusern und Wohnungen aber sind die Kanalisation und das Einrohrsystem fest verbaut. Nährstoffe ade. Und jetzt? Zumindest bei Neubauten könnten wir alternativ denken. In Paris etwa wurde im 14. Bezirk gerade eine große Wohnanlage mit Urintrenntoiletten aufgebaut. „Toilette“, sagt Ariane Krause, „das bedeutet derzeit: Weg damit. Eklig. Alles rein, was ich loswerden will. Wenn ich in Kreisläufen denke, dann muss das anders gehen. Wir brauchen eine Klorevolution.“

Noch benutzen wir jeden dritten Liter wertvolles Trinkwasser fürs Klo. Noch ist menschlicher Dünger in Deutschland nicht erlaubt. Noch darf Recyclingdünger nur ins Blumenlabor von Ariane Krause und anderer wissenschaftlicher Projekte. Umfragen zeigen aber, dass etwa die Hälfte der Menschen in Deutschland so gedüngtes Obst und Gemüse kaufen würde. Am Ende erzählt Ariane Krause von einer Toilette, bei der man nicht mehr 20 Cent zahlen muss fürs Benutzen. Man bekommt 20 Cent: „Vielen Dank für die wichtigen Nährstoffe“.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: