Süddeutsche Zeitung

Smart Home:Sensoren für Senioren

Herd aus, Wasserhahn abgedreht? Smart-Home-Technologie kann älteren Bewohnern im Alltag helfen. Aber nicht jeder ist davon begeistert. Ein Gespräch über skeptische Senioren und die Frage, wie sicher die Daten sind.

Interview von Oliver Herwig

Da gibt es zum Beispiel den Herd, der sich irgendwann selbst ausschaltet. Oder die Wasserhähne, die sich melden, wenn das Waschbecken überläuft. Ivonne Honekamp und Jost Lennart Liebau von der Hochschule Stralsund haben sieben Wohnungen für Ältere mit Smart-Home-Sensoren ausgestattet. Sie ist Professorin für Management im Gesundheitswesen, er schreibt an seiner Masterarbeit. Ein Gespräch über skeptische Senioren, smarte Technik und die Frage, wie sicher die Daten sind.

Wie lange hat es gedauert, die sieben Wohneinheiten mit Sensoren auszurüsten?

Jost Lennart Liebau: Ungefähr zwei Stunden pro Wohnung. Es ist nicht so schwer, so etwas zu installieren. Nur die Abschaltung für den Herd konnten wir nicht selbst einbauen. Dafür brauchten wir einen Elektriker.

Es gab gar keine Probleme?

Liebau: Wir mussten nur bedenken, dass manche Sensoren keine ausreichende Funk-Reichweite besitzen, sodass wir im Nachhinein Repeater eingebaut haben, damit die Sensoren überall platziert werden können und eine vollständige Ausleuchtung haben.

Vollständige Ausleuchtung klingt irgendwie nach Überwachung. Gab es keine Bewohnerinnen und Bewohner, die sagten: Das kommt mir aber nicht in die Wohnung.

Liebau: Sagen wir es so: Die Bewohner, die jetzt mitmachen, sind voll dabei. Angefangen haben wir mit 152 Haushalten, davon sind noch sieben übrig. Es gibt viele Menschen, die entweder gar nichts davon wissen wollten, Angst vor dem System hatten oder meinten, dass sie es nicht brauchten, weil sie noch nicht alt genug seien. Was ganz witzig ist. Denn der Altersschnitt der Menschen in den Wohnungen, die wir ausstatten wollten, liegt bei 80,2 Jahren.

Was entgegneten die Bewohnerinnen und Bewohner dann?

Liebau: Kommen Sie in fünf Jahren wieder, dann können wir das vielleicht brauchen.

In Deutschland leben rund 18 Millionen Menschen über 65 Jahre. Woher kommt die Skepsis gegenüber der Elektronik?

Ivonne Honekamp: Hauptsächlich, weil Menschen den Nutzen für sich noch nicht erkannt haben. Daher ist unsere wissenschaftliche Untersuchung sehr wichtig. Und auch, dass wir in der Gesellschaft über solche Technik reden.

Geht es da nicht auch um die Angst, nur noch Technik um sich zu haben - und keine Menschen mehr? Wie konnten Sie die Senioren überzeugen?

Liebau: Man muss wirklich direkt auf Menschen zugehen. Mit ihnen reden und fragen, welche Missgeschicke und Erfahrungen sie in der eigenen Wohnung schon gemacht haben. Viele Menschen über 65 sind in ihrer Wohnung bereits gestürzt. Da hilft das System natürlich ungemein.

Dann ruft es Hilfe. Wie genau geht das?

Liebau: Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder betätigt man selbst den Notrufknopf oder die Inaktivitätserkennung greift, wenn man gestürzt und ohnmächtig ist. Es dauert maximal anderthalb Stunden, bis eine Info gesendet wird.

Da könnte es ja schon zu spät sein. Andererseits: Wer möchte schon unbeabsichtigt Alarm auslösen, nur, weil man sich hingelegt hat?

Liebau: Es ist eine Frage der Abwägung, es wurden mehrere Studien dazu durchgeführt. Wir haben die Zeiten aus Erfahrungsberichten abgeleitet. Bei der Herdabschaltung ist eine Stunde schon sehr lang. Da kann viel passieren.

Ein Sensor erkennt Wasser auf dem Boden. Ein anderer ruft Hilfe, wenn sich nichts mehr rührt. Was kam am besten an?

Liebau: Der absolute Hit war die Herdabschaltung, Nummer zwei sind die Wasserhähne, die melden, wenn ein Waschbecken überläuft.

Sind die Daten eigentlich sicher?

Liebau: Sehr sicher. Der Anbieter erhält nur verschlüsselte Daten. Das System läuft passiv im Hintergrund, es werden keine Daten gesendet. Alles bleibt im Haus. Nur im Notfall schlägt es Alarm - an Menschen, die man vorher ausgewählt hat: Kinder, Verwandte oder Nachbarn.

Die Technik unterstützt Menschen bei einem selbstständigen Leben. Was ist dabei wichtiger: Service oder Sicherheit?

Honekamp: Sicherheit ohne Service funktioniert nicht. Was passiert, wenn das System einen Notfall erkennt, aber es keinen Service gibt, der reagiert und nach der Person sieht? Im Vordergrund steht sicherlich bei Nutzern und Angehörigen zunächst einmal der Sicherheitsaspekt.

Rund 1500 Euro pro Wohnung kostet das System. Lässt sich da noch etwas einsparen?

Honekamp: Eher nicht. Tablet und Herdabschaltung kosten am meisten. Dazu kommt die zentrale Steuerungseinheit, in der alle Informationen zusammenlaufen.

Liebau: Die 1500 Euro sind momentan auf eine Laufzeit von zwei Jahren ausgelegt. Die Sensoren halten aber viel länger. Wir rechnen mit monatlichen Kosten wie bei einem Handyvertrag. Und da werden einige sagen: Wenn es ein Nutzen für mich hat, warum sollte ich die Absicherung nicht wählen?

Honekamp: Sieht man sich zudem die steigenden Kosten für einen Pflegeheimplatz an, wird schnell klar, dass jeder zusätzliche Monat in der eigenen Wohnung der Pflegekasse so viel Geld spart, das diese Technik locker in der Wohnung integriert werden könnte.

Wie sieht es eigentlich in Ihren eigenen Wohnungen aus mit der elektronischen Vernetzung?

Honekamp: Da mein Mann und ich Jahre in der Forschung aktiv waren, haben wir die ganzen Technologien selbst ausprobiert. In unserer Wohnung gibt es einen elektronischen Türöffner, den die Kinder per App bedienen. Sensoren melden, wenn irgendwo ein Fenster offensteht, dann geht die Heizung automatisch aus. Und Alexa haben wir natürlich auch, und zwar in mehreren Räumen.

Liebau: Ich wohne im Studentenwohnheim und habe bislang keine Sensorik. Eine Alexa würde ich mir auch nicht zulegen, aus Datenschutzgründen. Da habe ich Bedenken. Allerdings hätte ich schon gerne eine Abschaltautomatik für den Herd, denn es kommt schon mal vor, dass ihn jemand anlässt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5534784
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/jerb
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.