Als ich den Winter über auf meinen Umzug nach Paris wartete, erzählte ich allen Freunden, wie toll es sei, dass ich genau zum Frühlingsanfang in Frankreich ankommen würde. Ich beginne ein neues Leben, und alle Bäume und Blumen machen mit. Mein erster Arbeitstag als Frankreichkorrespondentin war der 7. März, und ich trug Mütze, Schal, meinen dicksten Mantel. Es schneite. So etwas haben wir noch nie erlebt, sagten die neuen Nachbarn, und die Touristen vorm Louvre fanden genug Schnee, um einander zu bewerfen. Unsere Vermieterin hatte damit angegeben, dass das Wohnzimmerfenster ein Original aus dem frühen 19. Jahrhundert sei. Wir merkten an den drei Pullovern, die wir in der Wohnung trugen, dass sie recht hatte.
Im Nachhinein betrachtet, passte das verschneit-verwandelte Paris sehr gut zu diesen ersten Wochen, in denen wir zwar wussten, dass wir hier irgendwann zu Hause sein würden, aber uns nur fühlten wie Gäste mit viel zu viel Gepäck. Unwirkliches Wetter für eine unwirkliche Situation. Jetzt habe ich meine erste Streikwelle, Emmanuel Macrons ersten Skandal, den vierten Klempnerbesuch und eine WM-Siegesfeier hinter mir. Einmal ist es mir sogar gelungen, das Wachpersonal des Élysée-Palastes in der Hauptstadt davon zu überzeugen, dass ich mein Fahrrad im präsidialen Innenhof abschließen darf. Das fühlte sich wunderbar französisch an (in formvollendeter Höflichkeit eine Regel umgehen) und sehr deutsch (ich trug Helm). Es hat sich genug Routine eingestellt, um langsam nicht mehr nervös mit dem Augenlid zu zucken, wenn ich mich als Frankreichkorrespondent vorstelle. Gleichzeitig merke ich, dass die eigentliche Arbeit gerade erst beginnt. Jetzt, wo ich genug erlebt habe, um zu sehen, was ich alles noch nicht begreife.