Süddeutsche Zeitung

SZ Werkstatt:Was steht auf  Seite 1?

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SZ-Redakteurin Michaela Schwinn erklärt, warum die Titelseite der Zeitung einem Schaufenster gleicht und wieso neben harten Nachrichten auch Kurioses und sogar manches Alltagsthema den Weg nach ganz vorne findet.

Auf der Seite 1 der Zeitung wird jeden Tag ein Thema behandelt, beispielsweise Stechmücken, das nicht im Wesentlichen Probleme aus Politik und Wirtschaft abbildet. Es sind Themen, die meines Erachtens je nach Inhalt auf die Seiten Panorama, Wissen oder Feuilleton gehören. Wie kommt es dazu?

Carl-Enno zu Knyphausen

Wenn man so will, ist die Titelseite der Platz in der Zeitung für die großen Ereignisse: für Gipfeltreffen und Gerichtsentscheidungen, für Wirtschaftskrisen und Wahlergebnisse, für Staatsaffären und Bildungsstudien. Es ist der Platz der Mächtigen, der Entscheider aus Politik und Wirtschaft. Nicht ohne Grund nehmen die Nachrichten des Tages den prominentesten Platz auf der ersten Seite der Süddeutschen Zeitung ein: Wenn etwa der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny aus dem Koma erwacht, die Steuereinnahmen einbrechen oder eine Pflegereform beschlossen wird, gehört dies selbstredend auf die erste Seite.

Für manchen Leser mag es daher verwirrend, gar falsch erscheinen, dass neben den harten Fakten leichte, oft heitere Geschichten abgedruckt sind - wie in diesem Fall über die gemeine Stechmücke. Gemeint ist der sogenannte Seite-1-Kasten: Er ist eine typische SZ-Rubrik, früher umrandet mit einem schwarzen Kasten (daher der Name), die sich jeden Tag auf der Titelseite findet - zumeist eingebettet zwischen die Nachrichten des Tages. Es sind kleine Geschichten, die Leichtigkeit auf die Titelseite bringen sollen, die locker aufgeschrieben und einfach zu lesen sind. Gleichzeitig sind sie viel mehr als reine Anekdoten, sie ordnen ein und geben Hintergrund: Mal erzählt der Kasten von politischen Ereignissen, etwa warum Mexiko den USA Millionen Liter Wasser schuldet, mal erklärt er die nur allzu menschliche Eigenschaft, sich auch die schändlichsten Taten gutzureden. Und ein andermal berichten dort unsere Korrespondenten über Kuriositäten, die sie in ihrer neuen Heimat erleben: zum Beispiel darüber, dass sich junge Israelis in Möbelhäusern daten.

In gewisser Weise funktioniert die Titelseite wie ein Schaufenster. Genau wie ein Einkaufsbummler sollen auch unsere Leser einen raschen Überblick bekommen: Was erwartet mich, was wird mir geboten? Gleichzeitig ist es uns wichtig zu zeigen, dass eben nicht nur große Persönlichkeiten, Gipfelkonferenzen und Gesetzesvorschläge relevant sein können - sondern auch Kurioses oder kleine Themen, die unseren Alltag begleiten und bewegen, wie eben die Stechmücke. misc

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Quelle:
SZ vom 10.10.2020
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