Süddeutsche Zeitung

SZ-Werkstatt:Was mein Telefon weiß

Vanessa Wormer über Datenrecherche und die wachsende Bedeutung von Programmierung und Algorithmen im Journalismus.

Wissen Sie, was Ihr Handy tut, während Sie schlafen? Viel mehr, als Sie wahrscheinlich vermuten würden. Das Smartphone ist ein geschwätziger kleiner Spion. Selbst dann, wenn Sie es gar nicht nutzen. Um das Ausmaß der digitalen Datensammlerei zu erfassen, haben wir vergangenes Jahr einen Tag lang das Gerät überwacht, das eigentlich uns ausspäht. Wir leiteten den Datenverkehr eines Smartphones über einen eigens eingerichteten Server und protokollierten, welche Daten von den installierten Apps und vom Betriebssystem des Geräts gesendet wurden und wohin die Informationen gingen. In 24 Stunden hat sich das Testgerät mehr als 7000 Mal mit 636 verschiedenen Servern weltweit verbunden. 18 Prozent der Serverkontakte erfolgten in der Nacht, 64 Prozent während der Bildschirm gesperrt war. Die ausführlichen Ergebnisse können Sie unter sz.de/datenjagd nachlesen.

Solche Art von Recherchen sind sehr aufwendig. Sie erfordern technische Kenntnisse, die weit über das hinausgehen, was ein normaler Nutzer für gewöhnlich mit seinem Computer macht. Da Daten und Technologie aber eine immer wichtigere Rolle in unserer Gesellschaft spielen, sollten heute auch Journalisten dazu in der Lage sein, einen Blick in technisch komplexe und abgeschottete Systeme zu werfen und sie verstehen zu können. Bei der SZ arbeiten deshalb auch Redakteurinnen und Redakteure, die programmieren, oder - und das ist leider noch viel seltener der Fall - Entwickler, die mithilfe ihrer Fähigkeiten journalistische Fragestellungen beantworten können. Das hilft uns zum Beispiel dabei, große Datenmengen wie die Panama Papers auszuwerten. Aber auch immer öfter, Algorithmen und Systeme zu durchleuchten, die unseren Alltag prägen, Kaufentscheidungen beeinflussen, unsere Kreditwürdigkeit einschätzen oder uns bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen womöglich aussortieren, weil die Gesichtserkennung anschlägt. Derartige Technologien sind oft intransparent und unausgereift. Sie erfordern eine kritische Öffentlichkeit und Journalisten, die auch Code verstehen und schreiben können.

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Quelle:
SZ vom 11.01.2020
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