SZ-Werkstatt:Unwürdiger Abgang

Ferdos Forudastan

Ferdos Forudastan leitet seit Anfang 2018 das Ressort Innenpolitik der SZ. Davor war sie Sprecherin von Bundespräsident Joachim Gauck und hat als Journalistin für taz, Frankfurter Rundschau, WDR und Deutschlandfunk gearbeitet.

(Foto: Paulus Ponizak)

Ferdos Forudastan, Innenpolitik-Chefin der SZ, über die Härte des politischen Geschäfts, die sich im Fall Andrea Nahles mal wieder besonders deutlich gezeigt hat.

Auch wenn man manchmal gerne wieder jung wäre - einen Vorteil hat es, ein paar Jahrzehnte Berufsleben hinter sich und damit dieses oder jenes schon mal erlebt zu haben. Der Vergleich mit dem, was heute passiert, fällt einem zuweilen etwas leichter.

Zum Bespiel vergangenen Sonntag: Da kündigte Andrea Nahles ihren Rücktritt als Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD an und löste eine Debatte darüber aus, inwieweit die teilweise hässlichen innerparteilichen Angriffe auf sie etwas damit zu tun hatten, dass sie eine Frau ist.

Ich selbst meine zwar, dass die Reaktionen auf ihre Schwächen nicht ganz so vernichtend ausgefallen wären, wenn ein Mann an ihrer Stelle gesessen hätte. Wie hart Politik allerdings auch für Männer sein kann, habe ich unter anderem als Korrespondentin in der früheren Hauptstadt Bonn erlebt: Zum Beispiel 1989, als die Kämpfe zwischen dem damaligen CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl und seinen innerparteilichen Kritikern in einem gescheiterten Aufstand gegen Kohl und der anschließenden Kaltstellung der Kritiker kulminierten; oder 1995, als der damalige, in der Tat glücklose SPD-Chef Rudolf Scharping nach rund zwei Jahren von seiner Partei gestürzt wurde; oder als Kohl eiskalt seinen Kronprinzen Wolfgang Schäuble fallenließ. In Berlin machte dann unter anderem der frühere SPD-Chef Kurt Beck schmerzhafte Erfahrungen mit innerparteilichen Intrigen.

Nach meinem Leitartikel zum Fall Nahles wollten einige Leser wissen, ob die SPD-Chefin denn nicht auch Fehler begangen habe, für die sie zu Recht von Genossen kritisiert worden sei. Doch, ohne Zweifel, das hat sie. Allerdings kommt es eben auch darauf an, wie man jemanden kritisiert. So voller Verachtung, wie das offen und/oder hinten herum beispielsweise zwei ihrer Vorgänger, nämlich Sigmar Gabriel und Gerhard Schröder, oder einfache Abgeordnete wie Florian Post getan haben, geht es nicht. Mit solchen Umgangsformen beschädigt man nicht nur einen Menschen, sondern auch die politische Kultur - selbst wenn die schon immer einiges aushalten musste.

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