SZ-Werkstatt:Unter der Oberfläche

SZ-Korrespondentin Silke Bigalke über ihre Arbeit in Schweden, wo langsam auch das Scheitern von Integration sichtbar wird.

Von Silke Bigalke

Da steht man nun zwischen den Wohnblöcken im berüchtigtsten Ghetto Schwedens - und sucht das Ghetto. Drogenhandel soll es hier geben, Brandstiftung, Schießereien. Man findet: Grünflächen, Fußballplätze, Klettergerüste. Über den Malmöer Stadtteil Rosengård ist viel geschrieben worden. Wegen der Kriminalität, die es tatsächlich gibt, wegen Zlatan Ibrahimović, und weil 87 Prozent der Einwohner Migrationshintergrund haben. Die erzählen, wie sehr sie Rosengård mögen, wie sicher sie sich fühlen, wie nervig die Presse ist, die immer schlecht über ihr Zuhause berichtet. In Rosengård lebe es sich nicht anders als in Neukölln, sagt einer, dessen Frau in Berlin gewohnt hat.

Das ist die eine Sache in Schweden: Extreme sind selten. Was hier dramatisch erscheint, liefe anderswo unter Alltag. Da hilft es, als Korrespondent manchmal ins Ausland schauen, von hier aus gesehen wäre das zum Beispiel Deutschland. Als in Schweden die ersten Flüchtlingsheime brannten, gab es weltweit Berichte: Sogar in Schweden kippt die Stimmung! Etwa 20 Brandanschläge auf Asylunterkünfte hat es dieses Jahr hier gegeben. In Deutschland waren es etwa 500.

Andererseits erkennt man schnell, dass in Schweden eben vieles unter der Oberfläche geschieht, was kaum zum Selbstbild passt. Die Fremdenfeindlichkeit wächst hier weniger sichtbar als andernorts, aber in die Mitte der Gesellschaft dringen die wenigsten Nicht-Schweden vor. Sie schaffen es gerade mal in die Vororte, nach Rosengård. Den Drogenring kann man dort in zwei Recherchetagen nicht aufdecken. Doch das Scheitern von Integration wird sichtbar. Und weil man in Rosengård Vorurteile gewöhnt ist, bietet eine 13-Jährige nach dem letzten Interview an, mit zum Bus zu gehen. Falls man sich im Ghetto alleine fürchtet.

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