Als Musical-Fan vermisse ich sehr die Berichterstattung von Musical-Premieren oder auch von Musical-Festspielen wie beispielsweise aus Tecklenburg und anderen Orten. Über Festspiele wie in München, Bayreuth oder Salzburg wird hingegen sehr viel berichtet. Wie wird das ausgewählt?
Christian Keller, Gunzenhausen
Verglichen damit, was "das Feuilleton" vor 20 Jahren ausgemacht hat, wurden die Grenzen der Berichterstattung sehr weit verschoben. Zum ursprünglich reinen Rezensions-Feuilleton kamen Debatten, politische Essays, Pop, Digitalkultur, künstliche Intelligenz, dazu anderswo längst gängige Formen wie Reportagen oder investigative Recherchen.
Die Aufgabe des Auswählens aber ist geblieben. Die Anzahl der Bücher, Filme, CDs, Ausstellungen, Konzerte oder eben auch der Festivals ist gewaltig. Deutschland ist ein kulturell ungeheuer produktives Land. Wir müssen uns deshalb auf jene Aufführungen beschränken, die auch dann im Feuilleton rezensiert würden, wenn sie nicht im Rahmen eines Festivals aufgeführt würden. Die Wagner-Opern in Bayreuth gehören selbstverständlich dazu, Salzburg mit seinen Theater- und Opernpremieren ebenfalls. Musicals oder auch Rockfestivals widmen wir uns hingegen nur in sehr seltenen Ausnahmen. Manchmal tun wir es doch, wenn das Thema oder ein anderer Aspekt über die reine Unterhaltung hinausweist, wie etwa bei dem Musical "Hamilton" von Lin-Manuel Miranda, das in den USA eine politische Debatte über die historische Rolle des Gründervaters Alexander Hamilton ausgelöst hat. Für die Leser in Bayern berichten die Kollegen der Regionalredaktion durchaus regelmäßig über Musical-Premieren.
Wie alles andere hat auch die Festival-Berichterstattung durch die Pandemie eine besondere Brisanz bekommen. Corona hat eine ganze Branche für Großveranstaltungen in ihrer Existenz bedroht. Damit kann sie wiederum ein Fall für die Wirtschaftsredaktion werden. Geht es um das Risiko gemeinsamen Musizierens, könnte dies eine Frage für das Wissen sein.