SZ-Werkstatt:Stuttgart 21

Im vergangenen Jahr ging Claudia Henzler als Korrespondentin von Nürnberg nach Stuttgart. Gerade rechtzeitig zum diesjährigen zehnten Jahrestag des höchst umstrittenen Bauvorhabens "Stuttgart 21".

Von Claudia Henzler

Neulich war ich auf dem Stuttgarter Fernsehturm und kann berichten: Er hat einen sehr soliden Eindruck gemacht und sieht auch heute, vom Tal aus betrachtet, ziemlich gerade aus. Das ist deshalb bemerkenswert, weil Gegner des Projekts "Stuttgart 21" im Jahr 2016 nachdrücklich davor gewarnt haben, dass der Turm aus dem Lot geraten würde, wenn die Bahn einen Tunnel vom Hauptbahnhof in Richtung Flughafen gräbt. Die fast zehn Kilometer lange Röhre musste nämlich genau unter dem Stuttgarter Wahrzeichen hindurch geführt werden - wenn auch in 220 Metern Tiefe. Inzwischen ist der Tunnel gebohrt, und die Befürchtungen vom schiefen Turm von Degerloch sind nicht wahr geworden.

Nicht immer ist es so leicht, die Kritikpunkte, die von den Projektgegnern mit großer Ernsthaftigkeit und bewundernswerter Ausdauer vorgebracht werden, zu bewerten. Wer Kontakt mit dem "Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21" aufnimmt, wird mit Informationsmaterial über die Gefahren dieses Großvorhabens regelrecht zugeschüttet. Äußerst rührig ist auch die Pressestelle der Projektgesellschaft, eine Tochter der Bahn, die 2013 gegründet wurde, um den Bau von Stuttgart aus zu überwachen und kostenmäßig in den Griff zu bekommen. Neue Korrespondenten werden von ihr gleich auf die Baustelle geladen, damit sie sich dort mit eigenen Augen überzeugen können, dass hier Großes entsteht.

Wie soll man das Projekt also zehn Jahre nach Baustart bewerten? Und wie stark muss man auf die Fundamentalgegner eingehen, die noch immer hoffen, dass der Bau eingestellt wird? Nachdem sich Generationen von Journalisten an Bedenken gegen "Stuttgart 21" abgearbeitet haben, berichten sie heute vor allem über jene Kritiker, die diese Planung konstruktiv begleiten und versuchen, letzte Verbesserungen zu erreichen. Neutrale Quellen gibt es kaum. Wenn sich aber der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann als Gegner von "Stuttgart 21" mit der Bahn einig ist, dass der neue Bahnhof für den geplanten Deutschlandtakt geeignet ist, kann man das als glaubwürdig einordnen.

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