SZ-Werkstatt:Pia Ratzesberger

Pia Ratzesberger

Pia Ratzesberger, 29, schreibt seit drei Jahren über die Münchner Wirtschaft – mal über einen Konzern, mal über einen Kiosk. Sie hat Politik und Ökonomie studiert und bei der SZ volontiert.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

trifft bei ihren Recherchen für die Münchner Wirtschaft auch mal Kleinunternehmer in einem verlassenen Schwimmbecken voller Bäume.

Vor ein paar Wochen im Norden von München, ein leeres Schwimmbad. Statt einer spiegelnden Wasseroberfläche nur Wald. Die letzte Eintrittskarte wurde vor mehr als 30 Jahren verkauft, in der Zeit danach sprengten die Wurzeln den Beton des alten Beckens. Inmitten der hochgewachsenen Bäume erzählte mir der Enkel des Gründers von den früheren Tagen, wie sich die Schwabinger Prominenz am Beckenrand sonnte, warum er den Grund vor vielen Jahren verkauft hat. Das Gelände lag von da an brach und eines der bekanntesten Schwimmbäder der Stadt geriet in Vergessenheit.

Wenn man über die Münchner Wirtschaft schreibt, fährt man nicht selten mit einem Aufzug in klimatisierte Konferenzräume. Manchmal aber steht man auch in einem verlassenen Schwimmbad und erfährt mehr, als eine Bilanz je erzählen könnte. Viele denken bei meinem Job als Erstes an die großen Unternehmen. An Namen wie BMW, Siemens, die Allianz oder Microsoft. Sie bekommen zu Recht viel Aufmerksamkeit. Doch man erfährt mindestens so viel über die Mechanismen der Wirtschaft, wenn man denen zuhört, die nicht sofort auffallen. Zum Beispiel dem Mann im Becken voller Bäume. Er weiß, wie schwer es ist, mit einer Firma Geld zu verdienen, die vom Wetter abhängig ist. Der Leiter eines Reisebüros wiederum kann erklären, warum das Internet seine Branche nicht kaputt macht. Der Zoodirektor, warum ein Elefant ihn keinen Cent kostet. Die Bankmitarbeiterin, warum die Menschen Angst um ihr Geld haben. Und der Gründer einer Ökostromfirma, warum der Ausbau der erneuerbaren Energien so langsam vorangeht.

Manchmal erkennen die Leserinnen und Leser die Menschen und Orte auch wieder, über die ich geschrieben habe, und schreiben mir einen Brief oder eine Mail. Eine Leserin erzählte zum Beispiel, dass sie jeden Sommer hoffe, dass das alte Floriansmühlbad wiedereröffne. Sie habe in dem Becken nämlich nicht nur Schwimmen gelernt, sondern auch zum ersten Mal einen Jungen geküsst. An dieser Stelle schöne Grüße an Frau Süß - und an den unbekannten Jungen.

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