SZ-Werkstatt:Ostern in LA

Jürgen Schmieder berichtet seit 2013 aus Los Angeles. Manchmal fühlt er sich dort noch heute wie ein Auslandsstudent. An Ostern redet man in Kalifornien weniger über die Auferstehung Jesu, sondern lieber über das eigene Golfspiel.

Von Jürgen Schmieder

Mein Nachbar Rick hat ein tolles Buch geschrieben, über Donald Trump und das Golfspielen, und weil Rick bei ein paar Gläsern Wein noch viel spannendere Geschichten über Trump und (nicht nur) das Golfspielen erzählt, werde ich vielleicht irgendwann darüber schreiben. Das Faszinierende an Los Angeles ist, dass beinahe jeder in dieser Stadt bei ein paar Gläsern Wein spannende Geschichten erzählen kann.

Ein befreundeter Anwalt kümmert sich um die Skandale der Stars, ein anderer Freund ist Arzt der amerikanischen Olympioniken, und der Linienrichter beim Fußballspiel meines neun Jahre alten Sohnes hat einst die Smashing Pumpkins, 50 Cent und Jack Johnson entdeckt. Die Amerikaner feiern das Osterfest ein bisschen gelassener als die Europäer. Man trifft sich im Park zur Eiersuche, aber man redet dabei weniger über die Auferstehung Jesu, sondern lieber über Golfspielen, Olympioniken oder die Smashing Pumpkins. Das erlaubt einem, mal darüber nachzudenken, was einem in der Fastenzeit passiert ist: Rücktritt von Basketball-Legende Dirk Nowitzki, Aufenthalt im leisesten Raum der Welt, Interview mit Netflix-Chef Reed Hastings, ein Spaziergang durch Compton wegen des ermordeten Rappers Nipsey Hussle. Begegnung mit einem Roboter, der über künstliche Intelligenz zum Freund werden soll. Die Skandale um R. Kelly, Conor McGregor und Michael Jackson.

Es ist immer was los in Kalifornien, selbst private Begegnungen werden oftmals zu Terminen, und es ist wunderbar, so wie es ist. Ich betrachte die SZ nicht als Arbeitgeber, sondern als Uni, die ein Stipendium ausgerufen hat dafür, jeden Tag interessante Leute zu treffen und ein bisschen was zu lernen - zum Glück meist nicht über Trump und das Golfspielen, sondern über verschiedene Aspekte der USA, und so einen Eindruck zu bekommen davon, wie das Leben in diesem Land funktioniert. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch machen werde. Wer in Kalifornien lebt, der lernt, nicht allzu viel zu planen, sondern sich erst morgen um morgen zu kümmern.

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