SZ-Werkstatt:Jürgen Schmieder

Das Telefon klingelt um kurz nach Mitternacht, wie eigentlich jeden Tag - und wie immer rätsele ich bis zum Abnehmen, was die Kollegen in München sich heute wünschen könnten. Aber so ist das halt als Korrespondent in Los Angeles, USA.

Von Jürgen Schmieder

Das Telefon klingelt um kurz nach Mitternacht, wie eigentlich jeden Tag - und wie immer rätsele ich bis zum Abnehmen, was die Kollegen in München sich heute wünschen könnten: ein Porträt über einen Hollywood-Star, eine Analyse zum verheerenden Aktienkurs eines Silicon-Valley-Unternehmens, eine Fahrt zu den Waldbränden im Norden Kaliforniens oder eine Glosse zur Trennung von Kermit und Miss Piggy? Ach, eine Reportage über ein selbstfahrendes Auto diesmal. Okay, kein Problem.

Wer als Korrespondent an der Westküste der Vereinigten Staaten arbeitet und in Los Angeles wohnt, der ist nicht auf ein Themengebiet spezialisiert - in dieser herrlich verrückten Stadt passiert schließlich jede Minute etwas Spannendes, Skandalöses oder Skurriles und damit Berichtenswertes, langweilig war es in den vergangenen zwei Jahren nie. Vor allem aber schreibe ich meine Texte meist nachts. Das führt dazu, dass ich tagsüber oft mit meinem Sohn surfen darf, was Neid bei Kollegen und Freunden auslöst.

Wer bei der Süddeutschen Zeitung angestellt ist und in den USA lebt, der muss vor allem bei der Anfrage um Treffen mit Stars und Interviews mit Unternehmenschefs stets betonen, dass "The South-German Newspaper" nicht nur in Bayern und Baden-Württemberg gelesen wird, sondern tatsächlich in ganz Deutschland. Auf die Frage, warum wir uns dann nicht einfach Munich Times nennen, antworte ich mittlerweile: "Weil SZ cooler klingt." Meine Freunde behaupten, dass ich den besten Job der Welt habe. Sie haben recht. Meine Vorgesetzten dürfen nur niemals bemerken, dass ich das alles, selbst das In-der-Nacht-Arbeiten, wahrscheinlich auch ohne Bezahlung machen würde. Aber das werden sie ja nie erfahren.

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