Süddeutsche Zeitung

SZ-Werkstatt:Cornelius Pollmer

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Wenn man für die SZ in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen arbeitet, dann ist man ein inländischer Auslandskorrespondent.

Den Ort Freital gibt es zwei Mal in meinem Leben. Es gibt ihn als Ort meiner Kindheit, als Ort der Erinnerung. Mit dem ersten Mountainbike ging es hinauf auf den Windberg, mit Freunden im Sommer zum Baden ins "Zacke". Seit ein paar Monaten fahre ich nun wieder nach Freital. Mit dem Auto. Ohne Freunde. Das Freital der Gegenwart ist ein anderer Ort, die jüngste Erinnerung daran: ein Rechtsextremer, der eine leere Bierflasche aufsammelt, ihren Boden ausschlägt und damit grölend auf eine Demo der Linken zugeht. Hoi hoi hoi!

Wenn man für die SZ auf dem Kontinent Mittelerde arbeitet, also in den drei mitteldeutschen Bundesländern, dann ist man zuweilen so etwas wie ein inländischer Auslandskorrespondent. Manchen Kollegen und Lesern ist der Osten bis heute fremd geblieben, als Korrespondent ist man da Scharnier, Übersetzer, Raumdeuter. Wenn dieser Raum für einen zudem Heimat war, wieder Heimat wurde oder immer geblieben ist, dann fängt man irgendwann an, sich beim Übersetzen selbst zu überwachen. Das gilt insbesondere beim Thema Asyl. Ist man mit den Widerständigen zu nachsichtig, weil einem auch berechtigte Kritik an Rassismus und Übergriffen im Osten irgendwann als zu pauschal erscheint und man sie deswegen persönlich nimmt? Oder ist man zu streng, weil einen ja selbst die Ungeduld treibt mit jenen, die Fäuste ballen anstatt Hände zu reichen?

Gesellschaftliche Probleme wie Ressentiments und Rassismus wegzuschweigen, das kann auf Dauer nicht funktionieren. Meine Heimat Sachsen ist dafür ein fast idealtypisches Beispiel. In der Beschreibung solcher Probleme deutlich, aber auch fair und genau zu sein, gelingt leider nicht immer. Die gute Nachricht ist dabei auch eine schlechte: Es wird noch genügend Zeit und Anlässe geben, sich darin zu üben.

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Quelle:
SZ vom 08.08.2015
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