Süddeutsche Zeitung

SZ-Werkstatt:Auf Schleichwegen

Kia Vahland, Redakteurin für die bildende Kunst im SZ-Feuilleton, beschreibt, wie man im Biennale-verrückten Venedig auch am ersten Wochenende durchkommt.

Man sollte meinen, dass sich die Kunstwelt langsam abwendet von Europa und lieber nach Indien, Brasilien oder Afrika reist als nach Venedig, der Stadt, die das Prinzip Biennale im 19. Jahrhundert erfand. Das Gegenteil ist der Fall: Von dem pazifischen Inselreich Tuvalu bis zum Vatikan bestehen auch kleinste Staaten auf ihrem nationalen Auftritt. Die Stadt ist schon an den Presse-Vorbesichtigungstagen voll mit Neugierigen aus aller Welt.

Leider ist die Biennale so geschäftstüchtig, dass sie die Pressekarten nicht nur an Journalisten frei ausgibt, sondern auch verkauft an Leute, die eher gesehen werden wollen, als dass sie um des Schauens willen kommen. So steht man vor den Pavillons Schlange mit chinesischen Nannys, die quengelnde Sammlerkinder ausführen. Und wartet hinter der Absperrung von Wasserbus-Haltestellen - während in aller Ruhe Privatyachten hier anlegen und Oligarchengattinnen mit Champagnerglas an einem vorbeistöckeln.

Im Laufe der Jahre haben Catrin Lorch und ich, die beiden Kunstverantwortlichen der SZ, unsere Schleichwege auf und über das Biennalegelände entdeckt. Die größte Herausforderung bleibt es, vor der Eröffnungszeremonie an diesem Samstag genügend Zeit für die Kunst zu finden - selbst zu zweit lässt sich in einer Woche nicht alles komplett ablaufen, und nie sind dieselben Künstler vertreten wie zuvor. Die meisten Werke erschließen sich erst, wenn man den Trubel ausblendet und sich ihnen mit Muße hingibt. Manchmal stopfe ich mir Ohropax in die Ohren, um den Rummel, das viele Geld und all die Oberwichtigen drum herum nicht zu wichtig zu nehmen.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2015
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