Süddeutsche Zeitung

SZ-Werkstatt:Ann-Kathrin Eckardt

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Die Redakteurin des Buch Zwei hat drei junge Eritreer - einen Mann und zwei Frauen - auf ihrer Flucht nach Deutschland begleitet, zumindest von Mailand bis München. Fünf Kollegen der SZ waren auf anderen Fluchtwegen unterwegs.

Am Freitagabend voriger Woche sagte der Pressesprecher der Bundespolizei in Rosenheim zu mir: "An dieser Stelle ist Ihre Geschichte zu Ende."

Gebrael, 31, seine Frau Selam, 24, und deren Cousine Merahawit, 25, sind gerade mit 88 anderen Flüchtlingen in Rosenheim aus dem Zug geholt worden. Ich habe die drei Eritreer auf dem letzten Teil ihrer Flucht von Mailand an begleitet. Außer mir sind zur gleichen Zeit noch SZ-Kollegen in Ungarn, Albanien, Frankreich, Serbien und Deutschland unterwegs. Für die Reportage in Buch Zwei (), haben wir Flüchtlinge dort angesprochen und gefragt, ob wir sie auf der Zielgeraden nach Deutschland begleiten dürfen. Und jetzt soll nach zehn Stunden schon Schluss sein?

Die Flüchtlinge werden die Nacht in der Kaserne der Bundespolizei in Rosenheim verbringen und am nächsten Tag registriert. Dort darf ich nicht rein, der Pressesprecher bleibt hart. Da die Polizei den Flüchtlingen auch die Handys abnimmt, rufe ich Gebrael zu: "Ich warte morgen ab acht Uhr auf euch vor der Kaserne!" Die Polizei darf die Flüchtlinge höchstens 24 Stunden festhalten, dann werden sie weiter nach München geschickt.

Am Samstagmorgen stehe ich Punkt acht Uhr vor der Kaserne und muss feststellen: Die Flüchtlinge werden in verdunkelten Bussen zurück zum Bahnhof gebracht. Unmöglich festzustellen, ob Gebrael und Selam drinsitzen. Ihr Handy ist immer noch tot. Also zurück zum Bahnhof in Rosenheim. Jetzt heißt es warten. Nach und nach tauchen viele der bekannten Gesichter von gestern wieder auf. Nur Gebrael und Selam nicht. Um 22.30 Uhr, die 24 Stunden sind längst um, kaufe ich ein Ticket für den nächsten Zug nach München. Da klingelt plötzlich mein Handy. Es ist Gebrael. "We come in five minutes."

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Quelle:
SZ vom 14.08.2015
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