SZ-Werkstatt:An der Grenze

Pollmer, Cornelius

Cornelius Pollmer schreibt seit 2013 für die SZ über Ostdeutschland.Die jüngste Recherche führte ihn entlang der deutschen Landesgrenze, wo nun wieder patrouilliert wird.

(Foto: Amac Garbe)

SZ-Reporter Cornelius Pollmer über grenzwertige Recherchen an der Landesgrenze. Wie man mit Abstand ans Ziel kommt.

Als Sachse konnte ich mich anfangs mit einem schlechten Witz über Wasser halten, denn rückwärts gelesen ist "Corona" bei uns nicht mehr als ein anderes Wort für Jacke. Als Dresdner darf ich jetzt laut zuständigem Minister nicht mal mehr in der Sächsischen Schweiz wandern, ich muss mich mit ihrer bei Weitem nicht so schönen, jedoch weniger entfernten Verwandten begnügen, der Heide. Als Reporter möchte ich weiter vor die Tür, allerdings verändert Corona diesen Teil der Arbeit massiv. Reportagen leben von größtmöglicher Nähe zu Menschen und Dingen, auf zwei Meter Abstand kann eine Menge verloren gehen. Für die Seite Drei an diesem Wochenende habe ich unter anderem eine Bürgermeisterin begleitet und bin mit ihr in aller Vorsicht durch die Gegend gefahren, also auf zwei Autos verteilt und in Kolonne. Vor Corona hätte ich auf ihrem Beifahrersitz Platz genommen und wüsste nun, welchen Radiosender die Bürgermeisterin hört und ob ein Kuscheltier an ihrem Rückspiegel baumelt. Nur über den Fußraum hätte man sicher auch da schon nicht geschrieben. Selbst wenn das Glashaus faradaysch ist, sollte man nicht mit Steinen werfen.

Solche Nähe also ist bis auf Weiteres gar nicht möglich, anderes nur eingeschränkt: Wer bei der Recherche sonst gern Leute anspricht, der muss jetzt feststellen, dass wirklich kaum jemand unterwegs ist. Wer zwischendurch für kleine Reporter möchte, vergewissert sich notdurftgedrungen recht ausdauernd, dass die Cafés in Sachsen sich tadellos an das Schließgebot halten. Wer sonst fix den Rechner aufklappt, um ein Hotel in der Nähe zu buchen, dem wird nun sehr klar, dass es das derzeit nicht allzeit und überall gibt: ein geöffnetes Hotel in der Nähe.

Trotz solcher logischen Einschränkungen überwiegt bei der Arbeit etwas anderes, nämlich ein gutes Gefühl begründeter Neugier. Es fällt zwar schwerer als zuvor, bleibt aber möglich, als Reporter alle veränderten Regeln der Vernunft einzuhalten - und gleichzeitig sehr direkt zu erleben, welch weitreichende Folgen Corona für das öffentliche Leben hat. Und das ist, hoffentlich nicht nur für einen selbst, schlicht sehr interessant.

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